Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In Kanada mit Abstand glücklich werden
Wer in Deutschland lebt und es gerne fernab vom Schuss mag, der hat es nicht leicht, eine geeignete Einöde zu finden. Die dichte Besiedlung ist der Grund dafür, dass der abgelegenste Bewohner in der Bundesrepublik laut einer jüngst veröffentlichten Studie im Magazin „Landscape and Urban Planning“lediglich 6300 Meter vom nächsten Haus entfernt lebt. Wer sein Lebensglück also in erster Linie am Abstand zum Nachbarn festmacht – sagen wir so ungefähr ab zehn Kilometern –, der muss zwingend auswandern.
Peking oder Mexico City wären natürlich nicht die richtige Wahl. Denn dort stapelt sich der Mensch in schuhschachtelartigen Gebäuden. Der nächste Nachbar ist oft nur eine papierdünne Rigipswand breit entfernt. Mit Kanada oder Grönland kommen wir der Sache schon deutlich näher. Denn dort, wo sich Polarfuchs und Braunbär gute Nacht sagen, sind die Abstände mit Abstand am größten. Wer hier den Nachbarn mit lauter Musik ärgern will, muss mindestens Sprengmeister sein und in der Lage, Beethovens Neunte mit Dynamit zu intonieren.
Ein großer Vorteil des Lebens in Abgeschiedenheit ist gewiss das Vorhandensein von genügend Parkplätzen. Dieser beliebte Streitpunkt unter Nachbarn ist angesichts von ein Paar 1000 Hektar unbewohnter Fläche rund ums Haus entschärft. Auch das leidige Thema Mülltrennung ficht den Einsiedler nicht an, weil er keine Angst zu haben braucht, dass ein wohnortnaher Ignorant wieder mal den Aludeckel auf dem Joghurtbecher vergisst und diesen in der Biotonne versenkt. (nyf )