Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
200. Geburtstag
Künstlerin, Ehefrau, Mutter und erfolgreiche Managerin – Zum 200. Geburtstag von Clara Schumann
Clara Schumann – zwischen Kunst und Pflicht
Musik spielen, das wollte sie. Und das tat sie: Bereits im zarten Alter von neun Jahren gab die am 13. September 1819 geborene Clara Wieck ihr erstes Klavierkonzert im Leipziger Gewandhaus, mit 18 wurde sie in Wien, der damaligen Hauptstadt der Musikszene, zur kaiserlich-königlichen Kammer-Virtuosin ernannt, eine außergewöhnliche Auszeichnung für die junge Frau. Doch das eigentlich Herausragende im Leben der Clara Wieck, später Schumann, ist, dass sie nach ihrer Heirat nicht wie viele andere Künstlerinnen ihrer Zeit aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwand. Im Gegenteil. Clara Schumann war zu Lebzeiten ihres Mannes Robert Schumann der berühmtere Teil dieser inspirierenden Verbindung. Mit ihren Konzertreisen sorgte sie überwiegend für den Unterhalt der Familie. Sie deshalb als eine frühe Feministin zu bezeichnen, greift aber zu kurz. Denn was sie tat, tat sie nicht, um sich auf eine Stufe mit den Männern ihrer Zeit zu stellen. Clara Schumann war eine Künstlerin, die sich ihre Kunst nicht nehmen ließ. Und sie besaß die Kraft und den Fleiß, Pianistin, Komponistin, Lehrerin, Ehefrau, Mutter und Geschäftsfrau zu sein.
„Die Menschen haben ja keinen Begriff, wie – um es in der Kunst zu etwas Bedeutendem zu bringen – die ganze Erziehung, der ganze Lebenslauf ein anderer sein muss als in gewöhnlichen Verhältnissen. Die Ausübung der Kunst ist ein Teil meines Ichs. Es ist mir die Luft, in der ich atme.“Claras Vater Friedrich Wieck erkannte früh die Begabung seiner Tochter und förderte sie – heute würde man sagen, unterzog sie einem gnadenlosen Drill. Ihre Mutter, eine begnadete Pianistin und Sängerin, hatte den jähzornigen Ehemann früh verlassen. Clara Wieck wuchs ohne sie in Leipzig auf. Mit elf Jahren lernte sie Robert Schumann kennen, der ein Jahr lang im Hause Wieck wohnte und bei Vater Friedrich Klavierunterricht nahm.
Viel wurde geschrieben über diese enge, symbiotische Verbindung zwischen Clara und Robert Schumann, gut belegt durch Tagebuchaufzeichnungen und
Briefe. Die Liebesbeziehung begann, als Clara 16 Jahre alt war. Das Verbot des Vaters bewirkte das Gegenteil und schweißte das Paar zusammen. Vor Gericht erstritten sich Clara und Robert die Erlaubnis zur Heirat. Kurz vor der Hochzeit machte sich die 20-jährige junge Frau in einem Tagebucheintrag Gedanken, „so viel als möglich mit der Künstlerin die Hausfrau zu vereinen. Das ist eine schwere Aufgabe! Meine Kunst lasse ich nicht liegen, ich müsste mir Vorwürfe machen.“
Die Zerrissenheit zwischen künstlerischer Berufung und den Pflichten als Hausfrau und bald auch Mutter prägte die Ehe mit Robert Schumann, die nur 16 Jahre dauerte. Acht Kinder brachte Clara Schumann in dieser Zeit zur Welt, wovon sieben das Erwachsenenalter erreichten. Verhinderten die dünnen Wände der ersten Wohnung in der Leipziger
Clara Schumann über ihre Musik
Inselstraße noch das regelmäßige Üben der Pianistin, so förderte ihr Mann die Bestrebungen seiner Frau im eigenen Komponieren. Robert Schumann suchte den künstlerischen Austausch mit seiner Frau, zusammen veröffentlichten sie den Zyklus „Der Liederfrühling“. Ausgedehnte Konzertreisen durch Europa versuchte er allerdings zu verhindern.
Die prekäre finanzielle Situation der Familie kam der Pianistin entgegen, erläutert die Schumann-Expertin Beatrix Borchard in der Jubiläumsdokumentation des MDR „Leidenschaft und Pflicht und Liebe. Die drei Leben der Clara Schumann“. Robert vertrat zwar die Meinung, dass „der schaffende Künstler den Vorrang hat vor dem reproduzierenden“, sein Komponieren also vor den Auftritten seiner Frau. Nur konnte er mit seinen Werken die immer größer werdende Familie nicht ernähren, Festanstellungen als Konzertmeister zerschlugen sich. Dem psychisch labilen Ehemann fiel es zunehmend schwer, als Herr Clara Schumann an der Seite einer in ganz Europa umjubelten Starpianistin zu darben.
1850 zog die Familie nach Düsseldorf, wo Robert Schumann eine Stelle als Städtischer Musikdirektor angeboten wurde. Zu spät für den gesundheitlich angeschlagenen Komponisten, der immer mehr unter Halluzinationen litt und 1954 in eine Heilanstalt eingewiesen wurde.
In dieser Zeit wurde der mit dem Ehepaar befreundete junge Komponist Johannes Brahms die wichtigste Stütze Clara Schumanns. Ob die beiden eine Liebesaffäre hatten, kann man heute mehr vermuten als belegen. Die beiden haben ihre Briefe nach gegenseitiger Absprache vernichtet. Zu einer dauerhaften Beziehung der beiden kam es allerdings auch nach Robert Schumanns Tod 1856 nicht.
„Der Witwenschleier gab ihr ein Recht auf ein eigenes Leben“, begründet Borchard die vielen Konzertreisen nach dem Tod ihres Ehemanns. Clara Schumann, 36 Jahre alt, war auf den Bühnen in London, Berlin und Amsterdam ein gefeierter Star, wohl die berühmteste Künstlerin ihrer Zeit – und hatte eine achtköpfige Familie zu versorgen. Das tat sie mit großem Geschick, auch in unternehmerischen Fragen. Sie organisierte ihre eigenen Touren, handelte die Gagen aus, konnte, als im Alter von fast 70 Jahren das Ende der Konzerttätigkeit nahte, die Bedingungen für eine Professorenstelle am Hoch’schen Konservatorium in Frankfurt diktieren. Nach heutigen Begriffen würde man Clara Schumann als Millionärin bezeichnen. Mit 71 Jahren gab sie ihr letztes öffentliches Konzert, 1896 starb sie nach zwei Schlaganfällen in Frankfurt.
Mit Abstand betrachtet erweist sich die Einschätzung Robert Schumanns allerdings als richtig: Er, der schaffende Komponist, ist heute der Berühmtere. Zu verdanken hat er diese Berühmtheit aber zu einem großen Teil seiner Ehefrau. Nicht nur, weil sie ihn musikalisch inspirierte und seelisch stützte. Clara Schumann spielte bei ihren Konzerten vor allem seine Werke, anerkannte immer das Genie dieses Komponisten – und schätzte ihre eigenen Kompositionen eher gering.
„Die Ausübung der Kunst ist ein Teil meines Ichs. Es ist mir die Luft, in der ich atme.“
Die Dokumentation „Leidenschaft und Pflicht und Liebe. Die drei Leben der Clara Schumann“zeigt Arte am 15. September und der MDR am 26. September, jeweils um 23.35 Uhr.