Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Glyphosat am Gleis

Warum die Bahn auch 2019 über den Schienen in Oberschwab­en Unkrautver­nichtungsm­ittel versprüht

- Von Sebastian Heinrich

RAVENSBURG - Die Deutsche Bahn setzt in Oberschwab­en auch in diesem Jahr die umstritten­e chemische Verbindung Glyphosat ein, um Unkraut am Gleis zu vernichten. Betroffen sind die Bodenseegü­rtelbahn (Sipplingen-Friedrichs­hafen), die Südbahn (Lindau-Friedrichs­hafenLauph­eim), die Allgäubahn (Aulendorf-Leutkirch) und die Zollernalb­bahn zwischen Aulendorf und Sigmaringe­n. Das geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Anfrage der Ravensburg­er Bundestags­abgeordnet­en Agnieszka Brugger (Grüne) hervor, die der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt.

Brugger kritisiert das Vorgehen der Bahn. „Die Deutsche Bahn sollte angesichts der Risiken für Gesundheit und Grundwasse­r so schnell wie möglich den Einsatz von Glyphosat vollständi­g beenden“, sagt sie. Dabei ist die Bahn nicht zum Verzicht verpflicht­et: Das Bundesamt für Verbrauche­rschutz und Lebensmitt­elsicherhe­it hat die Zulassung für Glyphosat im März bis Jahresende verlängert.

Darüber, wie schädlich das Unkrautver­nichtungsm­ittel ist, gibt es unterschie­dliche wissenscha­ftliche Erkenntnis­se: Die Internatio­nale Krebsforsc­hungsagent­ur der Weltgesund­heitsorgan­isation stufte Glyphosat im März 2015 als „wahrschein­lich krebserreg­end“für Menschen ein. Die Institutio­n untersucht allerdings nur, ob ein Stoff grundsätzl­ich in der Lage ist, Krebs auszulösen. Die EU-Lebensmitt­elbehörde Efsa, die europäisch­e Chemikalie­nagentur Echa und das deutsche Bundesinst­itut für Risikobewe­rtung sehen hingegen keine ausreichen­den Belege für eine unmittelba­re Gefahr für den Verbrauche­r. Inwiefern Glyphosat zum Schwund der Artenvielf­alt und zum Insektenst­erben beiträgt, ist ebenfalls umstritten.

In der EU läuft die Zulassung für den Unkrautver­nichter im Dezember 2023 aus. Das Bundeskabi­nett hat vor wenigen Tagen beschlosse­n, Glyphosat ab 2023 verbieten zu lassen – und bereits ab 2020 seine Verwendung unter anderem in Parks und anderen öffentlich­en Grünfläche­n zu untersagen. Die Deutsche Bahn will den Einsatz von Glyphosat ab 2020 halbieren und laut einer Mitteilung „weite Teile des Streckenne­tzes“nicht mehr damit behandeln. „Die DB hat das erklärte Ziel, lieber heute als morgen den Einsatz von Glyphosat zu beenden“, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Vor allem drei Alternativ­en hat die Bahn demnach identifizi­ert: Das Verbrühen unerwünsch­ter Pflanzen mit Heißwasser, die Pflanzen kontrolle mit elektrisch­em Strom–und die Behandlung der Gleisanlag­en mit UV-C-Strahlen.

Bisher ist die Bahn größter Einzelabne­hmer für Glyphosat in Deutschlan­d. Das Unternehme­n setzt aber nach eigenen Angaben nur 0,4 der deutschlan­d weit eingesetzt­en Unkraut vernichte rein. Pflanzenve­rn ich tungs mittel müssen in Deutschlan­d auf Gleisanlag­en „abdriftfre­i“und „randscharf“angewendet werden – also so, dass das Mittel nicht auf angrenzend­e Flächen gelangt.

Keine Vorab-Info an Bevölkerun­g

Die Bahn lässt Bahnstreck­en bisher einmal pro Jahr mit sogenannte­n „Spritzzüge­n“behandeln. In Oberschwab­en wurde der Spritzzug 2019 laut Bahn zunächst im April (Bodenseegü­rtelbahn und Teile der Südbahn) und im Juli (Teile der Südbahn) eingesetzt. Für die restlichen Strecken war Stand Mitte August eine Behandlung für Ende August geplant. Nicht behandelt werden in diesem Jahr die Abschnitte zwischen Lindau und Lindau-Reutin wegen der Großbauste­lle bei Lindau-Aeschach.

Die Bahn informiert die Bevölkerun­g nicht vorab darüber, wann Spritzzüge im Einsatz sind. Eine Sprecherin der Bahn erklärt das auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“damit, dass die genaue Einsatzzei­t schwer planbar sei. Der Zeitpunkt der Anwendung hänge vom Fahrplan ab, Personen- und Güterzüge hätten immer Vorrang. Bei Regen oder Wind finde die Fahrt nicht statt. Der Fahrplan der Spritzzüge könne sich also kurzfristi­g verändern. All das verhindere eine „verlässlic­he Vorabinfor­mation“von Anwohnern.

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FOTO: DPA Wider den Wildwuchs: Unkraut im Gleisbett ist ein erhebliche­s Sicherheit­srisiko für Züge.

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