Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Undiplomat
Es ist erst ein paar Tage her, da listete Sigmar Gabriel eine ganze Reihe von Charakterisierungen für einen Politiker auf: „Querulant des Nordens, Quartalsirrer, Enfant terrible, Paradiesvogel, Knallfrosch, Selbstdarsteller, Egomane, Zyniker, Abzocker, Windei, Schuft.“Nein, Gabriel sprach nicht über sich selbst. Die Bezeichnungen galten FDP-Vize Wolfgang Kubicki, dessen neues Buch der frühere SPD-Chef vorstellte. Doch er ließ durchblicken, dass ihm diese für seine eigene Person keineswegs fremd sind. Er könnte noch ein paar mehr solcher Beschreibungen über sich selbst hinzufügen, ergänzte er. Politischer Raufbold wäre auch ganz passend. Als solcher hat sich Gabriel in seiner politischen Laufbahn immer wieder erwiesen. An diesem Donnerstag wird er 60 Jahre alt.
Gabriel war Ministerpräsident in Niedersachsen, Bundesumweltminister, SPD-Chef, Wirtschaftsminister. Das Amt, das ihm vielleicht am meisten Spaß gemacht hat, war aber das des Außenministers ab 2017. Keine 14 Monate war er Chefdiplomat, trotzdem erzeugt er mehr Wirbel als mancher seiner Vorgänger in einer ganzen Wahlperiode. Gabriel entwickelte seinen eigenen, vollkommen undiplomatischen Stil. Für kleinteilige Verhandlungen etwa über die Ukraine-Krise fehlte ihm die Geduld. Dagegen liebte er die klare Ansage auf offener Bühne. Damit löste er auch schon mal einen diplomatischen Eklat aus. So warf Gabriel Saudi-Arabien im November 2017 „Abenteurertum“vor – das Königreich berief daraufhin seinen Botschafter in Berlin ab.
Auch nachdem er das Amt im März 2018 abgegeben hatte, konnte er sich bisweilen fast wieder im alten Job fühlen. Bei einem als „Privatreise“deklarierten Besuch in Nordkorea wurde er hochrangig von der dortigen Führung empfangen. Mit dem Vorsitz der AtlantikBrücke hat der Mann aus Goslar jetzt sogar wieder einen außenpolitischen Posten inne. (dpa)