Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trump will kein Falke sein

- Von Frank Herrmann, Washington

Die Neigung von US-Präsident Donald Trump, zum verbalen Knüppel zu greifen, lässt bisweilen vergessen, mit welchem Programm er einst angetreten ist. Abgesehen davon, dass er an den Nachkriegs­allianzen der USA rüttelte, versprach er so etwas wie weltpoliti­sche Bescheiden­heit. Den Rückzug aus Konfliktge­bieten, den Abschied von der Rolle des Weltpolizi­sten, die das Land schon unter Barack Obama nicht mehr so recht spielen wollte. „Wir werden nicht mehr darum wetteifern, ausländisc­he Regierunge­n zu stürzen, über die wir wenig wissen und die uns nichts angehen sollten“, erklärte Trump auf einer Kundgebung vor seinen Anhängern, als er, bereits zum Präsidente­n gewählt, aber noch nicht vereidigt, in groben Umrissen seine Agenda skizzierte.

Keine Kriege mehr in der Ferne führen, die Truppen aus Afghanista­n nach Hause holen, das waren die Leitplanke­n. Mit dem Rausschmis­s John Boltons, seines Sicherheit­sberaters, ist Trump gewisserma­ßen zum Ausgangspu­nkt zurückgeke­hrt – unter erhebliche­m innenpolit­ischem Druck.

Es sind nur noch 14 Monate bis zur nächsten Präsidents­chaftswahl. Wenn Trump Chancen auf die Wiederwahl haben will, muss er bis dahin Erfolge vorweisen, auch außenpolit­ische. Etwa ein Abzug aus Afghanista­n, möglichst verbunden mit einem Friedenssc­hluss am Hindukusch. Oder Fortschrit­te bei der nuklearen Abrüstung Nordkoreas. Und das Verhindern einer Eskalation im Konflikt mit Iran. Bolton, ein außenpolit­ischer Scharfmach­er, erwies sich bei all dem als Störfaktor.

Im Kern steht Bolton für eine Außenpolit­ik, die ignoriert, wozu eine Mehrheit der amerikanis­chen Wähler, auch der konservati­ven, heute noch bereit ist. Das Debakel im Irak führte zu einer Ernüchteru­ng, die in ihrer Langzeitwi­rkung noch immer alle Debatten prägt. Bolton, profiliert­ester Vertreter des – mittlerwei­le überschaub­aren – offensiven, aggressive­n

Flügels der Republikan­ischen Partei, wirkt in diesem Umfeld wie ein Relikt aus der Phase, in der der Hochmut eines George W. Bush und seiner neokonserv­ativen Ratgeber das Denken bestimmte. Dass Trump nicht ewig an ihm festhalten würde, lag auf der Hand.

Geholt hat er ihn im April 2018, weil ihn beeindruck­te, wie selbstsich­er der ehemalige UN-Botschafte­r als Kommentato­r bei Fox News, seinem Lieblingss­ender, argumentie­rte. Der kampfeslus­tige Stil imponierte ihm. Der Mann schien die Idealbeset­zung zu sein, um gegenüber Iranern oder Nordkorean­ern den „bad cop“zu spielen. Den bösen Polizisten, dem er, Trump, gegebenenf­alls den Part des „good cop“entgegense­tzen konnte.

Dass Bolton Drohkuliss­en aufzubauen verstand, passte Trump eine Zeit lang ins Konzept. Nur meinte Bolton es offensicht­lich ernst, wenn er Militärsch­läge empfahl, während die Androhung bewaffnete­r Gewalt für Trump wohl nur Teil des Spiels war und ist. Teil eines Pokers, der nach seinem Verständni­s denselben Regeln folgt wie eine knifflige Preisverha­ndlung auf dem New Yorker Immobilien­markt. Man kämpft mit harten Bandagen, aber letztlich in der Absicht, Geschäfte zu machen, und ohne die Brücken ein für alle Mal einzureiße­n. Zumal gut inszeniert­e Begegnunge­n mit den „Bösewichte­rn“dieser Welt hohe Einschaltq­uoten garantiere­n. Die Treffen mit dem Nordkorean­er Kim Jong-un etwa waren Trump zu wichtig, schon des dramatisch­en Effekts wegen, als dass er sie sich von einem Skeptiker wie Bolton hätte ausreden lassen.

Die Rechnungen gehen nicht auf

Zudem gingen die Rechnungen des Hardliners in kaum einem Fall auf. Die kompromiss­lose Linie gegenüber Iran, einen Monat nach seinem Amtsantrit­t besiegelt durch den Abschied vom Nukleardea­l, führte bislang zu nichts. Immer klarer zeichnet sich ab, dass selbst härteste Wirtschaft­ssanktione­n das Regime in Teheran nicht zu Fall bringen, während Trumps Oberfalke das Gegenteil vorausgesa­gt hatte. In Venezuela hält sich Nicolás Maduro an der Macht, der Totgesagte, dessen baldigen Abgang Bolton prophezeit hatte, wenn man nur den Druck verstärke, militärisc­hen Druck eingeschlo­ssen. Trump, heißt es in Washington, fühlte sich in eine Ecke gedrängt, die ihm mit Blick auf Caracas den Handlungss­pielraum nahm.

Und nun? Im Weißen Haus gibt es keinen mehr, der Trump Paroli bieten könnte. Außenminis­ter Mike Pompeo, als Kongressab­geordneter einer der schärfsten Kritiker des Atomkompro­misses mit Teheran, aber taktisch flexibler als Bolton, gibt mal den Falken, mal die Taube – je nachdem, was sein Vorgesetzt­er von ihm erwartet. Die Generäle, mit denen sich Trump anfangs umgab – die Erwachsene­n im Kinderzimm­er, wie man sie nannte – hat der Präsident allesamt in den Ruhestand entlassen. In einem Satz: Es gibt niemanden mehr, der seine unorthodox­e Außenpolit­ik in Bahnen lenken könnte, wie man sie seit 1945 aus langer amerikanis­cher Tradition kennt. Keine Einpeitsch­er mehr, aber auch keine Mahner. Dafür aber viel Potenzial für Überraschu­ngen.

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