Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Business Class, bitte!
Sun Air fliegt von Friedrichshafen aus und setzt den Fokus auf Geschäftsreisende
FRIEDRICHSHAFEN/ TOULOUSE Robert Traussnig darf mit ins Cockpit. Der Airbus-Manager fliegt mit Sun Air vom Bodensee Airport aus nach Toulouse – mit bester Aussicht aus den Frontfenstern. Es ist der erste Flug in die südfranzösische Stadt, den die dänische Fluggesellschaft, Franchisepartner von British Airways, absolviert – früher war Twinjet die Strecke geflogen. Traussnig hatte sich mit Kollegen in den vergangenen Monaten dafür eingesetzt, dass Sun Air die Strecke übernimmt.
„Es ist kein Geheimnis, dass Airbus ganz wesentlich zu der Toulouse-Verbindung beigetragen hat“, sagt Flughafenchef Claus-Dieter Wehr. Der Grund liegt auf der Hand: Toulouse ist der Hauptsitz von Airbus, den die Mitarbeiter, die für den europäischen Luft- und RaumfahrtKonzern am Bodensee Satelliten und Verteidigungstechnik bauen, schnell erreichen wollen. Auch in Zeiten von Videokonferenzen „bleibt es sehr wichtig, sich persönlich zu treffen“, sagt Traussnig.
Täglich reisen Konzernmitarbeiter nicht nur von Airbus, sondern auch vom Autozulieferer ZF oder vom Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems (RRPS) zu Geschäftspartnern auf der ganzen Welt. Viele nutzen die Lufthansa-Verbindung nach Frankfurt, von wo aus sie auf internationale Routen umsteigen. 540 000 Passagiere zählt der Bodensee Airport insgesamt jedes Jahr.
Airbus verzeichnet einen jährlichen Bedarf von 3000 Flugreisen, beim Autozulieferer ZF sind es rund 16 000 Dienstreisen, die die Mitarbeiter von und nach Friedrichshafen unternehmen.
Christoph Ringwald von RRPS betont die Wichtigkeit des Flughafens für den Motorenbauer: „Ein Großteil unserer geschäftlichen Reiseaktivitäten geht von Friedrichshafen aus.“Umgekehrt sei der Flughafen für Geschäftspartner oft die einzige Möglichkeit, Friedrichshafen zu erreichen. Das Bahnnetz diene derzeit bei innerdeutschen Verbindungen nicht als Alternative, da die Reise mit den Regionalzügen zu lange dauere – insbesondere da die Strecke von Friedrichshafen nach Ulm durch die Elektrifizierung der Bahn noch mehr Zeit in Anspruch nimmt.
Also richten sich alle Augen der Unternehmen in Südwürttemberg auf den Flughafen und dessen Angebot. Zuletzt allerdings haben auch hier insolvente Fluglinien und wegfallende Verbindungen den Betrieb wesentlich erschwert. Im Dezember 2015 ging die Regionalfluglinie Intersky pleite mit den Verbindungen nach Berlin, Hamburg, und Köln/ Bonn. Als Ersatz startete die Airline VLM, aber auch sie meldete im Juni 2016 Insolvenz an. Es folgten die Fluggesellschaften Monarch und schließlich Germania, von deren Pleite allerdings hauptsächlich Urlaubsdestinationen betroffen waren.
Glaube an den Standort
Die Hoffnungen liegen nun auf der dänischen Regionalfluggesellschaft Sun Air. Sie versucht den Neustart. Eine Verbindung nach Düsseldorf hat sie bereits im Juni 2018 aufgenommen, im Januar dieses Jahres folgte Hamburg und jetzt Toulouse.
Der Neustart ist bisher vielversprechend. Sun-Air-Chef Kristoffer Sundberg glaubt an den Standort Friedrichshafen – trotz der finanziellen Schwierigkeiten, in der der Flughafen auch wegen der Insolvenzen steckt. „Der Flughafen hat Potenzial“, sagt Sundberg. Auch wenn der Start der Verbindung nach Düsseldorf zunächst viel Geld verschlungen habe. „Mittlerweile machen wir keinen Verlust mehr, sondern einen kleinen Gewinn.“
Dabei sind die Sun-Air-Flüge nicht ausgelastet. Im Durchschnitt seien nur 60 Prozent der Sitze besetzt, erklärt Bernd Behrend, Verkaufs- und Marketingleiter bei Sun Air in Deutschland. Die Ticketpreise würden aber den Ausgleich schaffen. Bei Geschäftsreisen gehe es den Unternehmen in der Regel weniger um günstige Preise – One-Way-Tickets nach Hamburg beispielsweise kosten etwa 200 Euro – sondern um die Zeitersparnis.
Den meisten Unternehmen sei eine kurze Anfahrt höhere Kosten wert, anstatt also mit dem Auto oder mit dem Zug nach München oder Zürich zu fahren. Mit Kunden, die privat fliegen, kalkuliert die Airline auf der Strecke nach Toulouse gar nicht erst. „Wir freuen uns über jeden, der privat mitfliegt, aber wir konzentrieren unser Geschäft in erster Linie auf Businessreisende“, so Behrend. Auch auf den Strecken nach Hamburg und Düsseldorf seien die Geschäftsreisenden in der Überzahl.
Allerdings: Dieser Fokus schafft eine gewisse Abhängigkeit. In der Vergangenheit habe es bei anderen Airlines das Problem gegeben, dass Unternehmen eine Nachfrage bekundet haben „und als die Strecke dann eingerichtet war, sind sie doch nicht so viel geflogen, wie sie zuvor gesagt haben“, sagt Flughafensprecher Andreas Humer-Hager.
Sun Air will so etwas umgehen, indem die Airline schon im Voraus Vereinbarungen mit den Unternehmen trifft – vertraglich fixiert. Im Gegenzug für die Übernahme der Flugverbindung nach Toulouse, hat sich Airbus beispielsweise für drei Jahre verpflichtet ein bestimmtes Kontingent an Tickets abzunehmen, sagt Robert Traussnig. Wie viele dies bei der Verbindung Friedrichshafen nach Toulouse genau sind, sagt er nicht.
Von Toulouse im Angebot der Flughafenziele profitiert also in allererster Linie Airbus. Aber auch andere Unternehmen haben Wünsche. Für Rolls-Royce Power Systems beispielsweise wäre eine Flugverbindung zum Hauptsitz nach London von Vorteil, bestätigt Christoph Ringwald. Viele Unternehmen rund um den Bodensee fragen beim Flughafen Friedrichshafen auch immer wieder eine Direktverbindung nach Berlin an. Eine Fluglinie, die die Strecke gerne bedienen würde, gibt es: Sun Air. „Wir haben Interesse an einer Verbindung nach Berlin“, sagt Bernd Behrend von Sun Air. „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen.“Voraussetzung ist allerdings, dass die dänische Gesellschaft Landerechte in Berlin-Tegel oder am irgendwann fertiggestellten Flughafen Berlin Brandenburg bekommt. Das wäre dann die vierte Verbindung der Sun Air von Friedrichshafen aus.