Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Augen auf beim E-Mail-Versand
Nicht ganz gelungene Romanverfilmung „Gut gegen Nordwind“mit Nora Tschirner
Wenn sich ein Bestseller wie „Gut gegen Nordwind“von Daniel Glattauer zweieinhalb Millionen Mal verkauft hat, dann sind die Erwartungen an der Kinokasse groß. Doch was Regisseurin Vanessa Jopp vorlegt, ist leider ein auf Nummer sicher gehender Klon aus den üblichen Versatzstücken romantischer Komödien und einiger durchaus gelungener Regieeinfälle.
Die populären Hauptdarsteller Alexander Fehling und Nora Tschirner waren selbst mal ein Paar. Dass sie dank des E-Mail-Romans erneut durch die Phasen einer langsam aufblühenden Zuneigung geschickt werden, hätte schiefgehen können.
Sprachwissenschaftler Leo erhält eine E-Mail von einer unbekannten Frau namens Emma, die ein Zeitschriftenabo kündigen möchte. Aus diesem zufälligen Irrläufer entspinnt sich ein Wortwechsel, in dem sich die beiden an mehr oder weniger geistreichen Sentenzen zu überbieten versuchen. Zeitgleich gerät Leos Beziehung mit der sprunghaften Marlene in eine tiefe Krise.
Ein digitaler Seitensprung
Wie gut, dass die digitale Konversation nach und nach intimer gerät. Leo tauscht in der Anonymität die privatesten Details aus seinem Leben aus und schöpft Hoffnung, die von ihm liebevoll in Emmi umgetaufte Freundin könnte die Seelenverwandte werden, nach der er immer noch Ausschau hält.
Umso größer die Enttäuschung, als die Musikwissenschaftlerin ihm gesteht, mit einem 15 Jahre älteren Dirigenten verheiratet zu sein. Mehrere Versuche, sich zu treffen, scheitern an der Angst, den Erwartungen des anderen nicht zu genügen. Schließlich kommt jedoch Emmas Ehemann hinter den platonischen Seitensprung, und die Konfrontation lässt sich nicht mehr umgehen.
Regisseurin Jopp lässt sich in der ersten Hälfte viel Zeit, um in Parallelsträngen die emotionalen Defizite der materiell abgesicherten Existenz von Leo und Emmi auszubreiten. Der Zuschauer wähnt sich schon in einer der typischen Fernsehromanzen mit schönen Menschen in schicken Wohnungen. Einziger Störfaktor dieser Idylle sind die aus dem Off unablässig ertönenden Schreibantworten, die den Handlungsfluss mitunter erheblich überdehnen.
Zum Glück vertraut Jopp im zweiten Teil dann doch ihrer Inszenierungskunst, schneidet einsame Aufenthalte am Meer und Beinahe-Begegnungen im Supermarkt gegeneinander. Die melancholische Indie-Musik untermalt in langen Aufnahmen stimmig die innere Unruhe, das Schweben zwischen Hoffnung, Misstrauen und Resignation, widersprüchliche Emotionen, die nach dem pausenlosen Gequatsche erstmals das Können von Fehling und Tschirner herausfordern. Diese Entschlossenheit hätte man sich von Anfang an gewünscht. Im Finale glaubt man sogar einen Moment lang, an dem verhinderten Paar mitzuverzweifeln. (KNA)
Gut gegen Nordwind. Regie: Vanessa Jopp. Mit Nora Tschirner, Alexander Fehling, Ulrich Thomsen. Deutschland 2019. 122 Minuten. FSK ab 14 Jahren.