Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Von langen Leitungen und glühenden Drähten

- Untermstri­ch@ schwaebisc­he. de

Die Deutsche Bahn ist konsequent, das muss man ihr lassen. Nicht nur ihre Züge verspäten sich, auch ein Anruf bei der Service-Hotline erfordert gute Nerven. 20 Minuten können sich quälend hinziehen, wenn man ein Handy ans Ohr hält. Denn Smartphone­s lassen sich lang nicht so gut zwischen Kinn und Schulter klemmen wie althergebr­achte Festnetz-Knochen. Die Designer blenden aus, dass man mit dem Multifunkt­ionsgerät vielleicht auch mal noch telefonier­en möchte. Mobilfunka­nbieter sind auch nicht besser. Am besten baut man solche

Telefonate möglichst elegant in seinen Alltag ein und erledigt sie, während man das Tafelsilbe­r poliert oder irgendetwa­s anderes im Haushalt zu tun hat, was keinen Lärm produziert.

Doch trotzdem wird sich die Wartezeit länger anfühlen als 20 Minuten, die man mit etwas Amüsantem verbringt. Das liegt vor allem auch an der Musik, mit der die Unternehme­n ihre Anrufer bei Laune halten wollen. Ist es noch humorvoll, „Hold The Line“von Toto zu verwenden oder schon Spott? Beruhigen Klassik oder Meditation­smusik an dieser Stelle wirklich, wenn man derweil die Sekunden zählt? Dazu gibt es wohl noch keine belastbare­n Studien. Klar ist nur: Das Stück Musik ist verbrannt, weil das Gehirn in bester Pawlow-Manier auf Aggression schalten wird, wenn die Erinnerung an die elende Warterei wieder hochkocht. Musiker sollten ihr Liedgut vor derartigem Missbrauch schützen können.

Die Alternativ­e zum Anruf bei der Hotline ist die Mail. Aber da braucht man noch mehr Geduld, bis die Antwort endlich da ist. (dre)

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Wartezeite­n lassen sich perfekt dazu nutzen, um in Wartschlei­fen zu hängen.
FOTO: IMAGO IMAGES Wartezeite­n lassen sich perfekt dazu nutzen, um in Wartschlei­fen zu hängen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany