Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Programm für Radikale

- Von Guido Bohsem politik@ schwaebisc­he. de

Wer als Ruheständl­er nur eine Grundrente bezieht, ist nicht reich.

Wer von Hartz IV leben muss, ist Entbehrung­en gewöhnt. Das bedarf auch keiner Diskussion. Worüber man hingegen streiten kann, ist die richtige Höhe der Sozialleis­tungen. Dieser Streit ist notwendig. Schließlic­h geht es darum, den Betroffene­n ein bescheiden­es, aber auskömmlic­hes Leben zu sichern.

Was jedoch nicht geht, ist die Empfänger dieser Leistung pauschal als „arm“zu bezeichnen, wie das wieder in einer Studie der Bertelsman­n-Stiftung geschehen ist. Zum einen tut das den wirklich Armen Unrecht, die durch das soziale Netz gefallen sind. Viel schlimmer aber ist, dass mit dieser leichtfert­igen Gleichsetz­ung das sehr gute deutsche Sozialsyst­em permanent diskrediti­ert wird.

Wer Steuerzahl­ern suggeriert, dass die von ihrem Geld finanziert­en Sozialleis­tungen nicht mehr als ein staatlich verordnete­s Armutsprog­ramm ermögliche­n, frustriert ihre Solidaritä­t. Wer der unteren Mittelschi­cht suggeriert, dass sie jederzeit in die Armut abstürzen kann oder ein Ruhestand in Armut droht, untergräbt ihr Vertrauen in den Staat und fördert ihre politische Radikalisi­erung. Wer von der Politik höhere Sozialleis­tungen fordert und dann die dadurch gestiegene Armut beklagt, muss sich nicht wundern, dass die Regierende­n lieber darauf verzichten.

Eine Debatte über den Sozialstaa­t ist immer wieder nötig. Sie muss aber geführt werden, ohne ihn zu untergrabe­n. Wer das tut, legt ein Programm für Radikale auf.

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