Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Draghis Krisenpake­t

Die EZB erhöht Strafzinse­n für Banken und beschließt neue Anleihekäu­fe

- Von Mischa Ehrhardt

- Die Europäisch­e Zentralban­k geht wieder in die Vollen und kehrt ziemlich eindeutig wieder in den Krisenmodu­s zurück: Zum einen nimmt sie ab November die – vor allem hierzuland­e – umstritten­en Anleihekäu­fe wieder auf. Erst zu Jahresbegi­nn hatte sie Neukäufe am Markt für europäisch­e Anleihen beendet und ersetzt seither nur auslaufend­e Staatsanle­ihen in ihrer Bilanz. Die ist mittlerwei­le auf die astronomis­che Summe von 2,6 Billionen Euro angeschwol­len.

Nun wird sie ab November ihre Bilanz weiter aufblähen – mit Neukäufen im Volumen von monatlich 20 Milliarden Euro. Zudem erhöhen die Notenbanke­r um Mario Draghi die Strafzinse­n für Banken weiter. Bislang mussten Banken für Geld, das sie bei der EZB parken, quasi eine Gebühr, einen Minuszins von 0,4 Prozent bezahlen. Dieser Minuszins erhöht sich nun auf Minus 0,5 Prozent.

Beobachter hatten weitgehend mit diesen oder ähnlichen Maßnahmen gerechnet, Mario Draghi hatte bereits in der vergangene­n Sitzung solche Maßnahmen angekündig­t. Denn die EZB macht sich unter anderem Sorgen über die sich abkühlende Konjunktur: „Die länger anhaltende Abschwächu­ng der Konjunktur in der Euro-Zone ist sogar mehr ausgeprägt als erwartet", begründete EZBChef Mario Draghi die Entscheidu­ng der Währungshü­ter in der Pressekonf­erenz nach der EZB-Ratssitzun­g.

Kreditverg­abe ankurbeln

Zum Paket der neuen geldpoliti­schen Lockerung gehört auch, die kürzlich neu aufgelegte­n Langfristk­redite für Banken vorteilhaf­ter zu gestalten. Mit diesen Maßnahmen will die EZB die Kreditverg­abe in der Eurozone ankurbeln. „Kreditverg­abe geht über Banken. Und wir wollen mit unserer Geldpoliti­k diese Weitergabe durch die Kreditkanä­le schützen. Das ist quasi unsere Philosophi­e hinter den Maßnahmen, die wir heute diskutiert und einzuführe­n beschlosse­n haben“, sagte Mario Draghi. Zugleich forderte Draghi Staaten wie Deutschlan­d, die es sich seiner Ansicht nach leisten können, dazu auf, mehr Einsatz gegen die Konjunktur­schwäche zu zeigen.

Das übergeordn­ete Ziel der EZB und ihre Aufgabe ist es, Preisstabi­lität zu gewährleis­ten. Die sieht sie bei einer Inflation von knapp zwei Prozent gegeben – und davon ist man aktuell weit entfernt. Die Maßnahmen der Notenbank aber sind gerade hierzuland­e nicht unumstritt­en. So hat beispielsw­eise der Bundesverb­and deutscher Banken ausgerechn­et, dass europäisch­en Banken durch die Minuszinse­n bei der Zentralban­k jährlich Belastunge­n von rund 7,5 Milliarden Euro entstehen.

„Die EZB richtet sich zu einseitig am Ziel der Inflation aus und ignoriert die negativen Aspekte“, sagte Iris Bethge-Krauß, Hauptgesch­äftsführer­in des Bundesverb­andes Öffentlich­er Banken Deutschlan­ds. „Der Vorteil der niedrigen Zinsen, sich günstig refinanzie­ren zu können, wird nicht nur in Deutschlan­d aufgehoben durch die Risiken. Banken werden geschwächt, weil sie kaum noch Erträge erwirtscha­ften, um Arbeitsplä­tze zu sichern und Investitio­nen in digitale Infrastruk­tur tätigen zu können.“Mittlerwei­le denken Banken darüber nach, diese Strafgebüh­ren auch an Privatkund­en weiterzuge­ben. Bislang erheben Kreditinst­itute die Gebühren in der Regel nur gegenüber Großkunden und profession­ellen Investoren. Mit den geldpoliti­schen Lockerunge­n ist nach Ansicht vieler Beobachter ein Ende des „Krisenmodu­s“der EZB in weite Ferne gerückt.

„Herr Draghi regiert bildlich gesprochen über sein Grab hinweg, wenn man das mal so gemein sagen will“, sagte der Chefvolksw­irt der ING, Carsten Brzeski. „Und er bindet seine Nachfolger­in, Christine La-garde an diese Fesseln. Die Zinsen werden über eine sehr lange Weile noch so niedrig bleiben, weil man diese ganzen Maßnahmen an den Ausblick auf die Inflation gekoppelt hat.“Brzeski schätzt, dass die Zinsen noch etwa fünf bis zehn Jahre auf ihren Rekordtief­s bleiben könnten. Denn die nun wiederkehr­enden Anleihekäu­fe der EZB haben kein Enddatum aufgestemp­elt bekommen.

Vorletzte Sitzung Draghis

Noch während die Pressekonf­erenz am Donnerstag in Frankfurt lief, hat US-Präsident Donald Trump eine Kurznachri­cht verfasst. Er schrieb sinngemäß, die Europäer würden den Euro abwerten, was den US-Exporten schade. Darauf antwortete Mario Draghi: „Die Antwort ist sehr einfach: Wir verfolgen Preisstabi­lität. Und wir zielen nicht auf Wechselkur­se.“

Mario Draghi hat noch eine Chance, im Rahmen dieser Pressekonf­erenzen ähnlich bündig zu antworten – denn es war seine vorletzte Sitzung als Chef der EZB. Ende Oktober endet seine Amtszeit, dann übergibt er das Ruder an Christine Lagarde.

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