Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Neue Schummel-Vorwürfe

VW soll auch bei neueren Dieselfahr­zeugen Abschaltso­ftware eingebaut haben – Konzern dementiert

- Von Jan Petermann

WOLFSBURG/BERLIN (dpa) - Der Motor mit der Bezeichnun­g EA 189 brockte VW die Abgasaffär­e und schwerste Krise der Firmengesc­hichte ein. Gab es auch beim Nachfolger EA 288 Manipulati­onen? Das jedenfalls bericht der Südwestrun­dfunk (SWR) unter Berufung auf interne VW-Dokumente. VW und Behörden dementiere­n.

Laut SWR enthalten auch Dieselmoto­ren mit der modernen und schärferen Abgasnorm Euro-6 ein Programm, das erkenne, ob sich das Fahrzeug gerade auf einem Prüfstand befindet. Eine solche „Zykluserke­nnung“war bei älteren VW-Motoren des Typs EA 189 dazu genutzt worden, dass die volle Abgasreini­gung nur während des Tests lief, im Alltagsbet­rieb auf der Straße dagegen vermindert oder gar ganz abgeschalt­et wurde – mit einem dann deutlich höheren Ausstoß an giftigen Stickoxide­n (NOx). Die Enthüllung der so funktionie­renden Täuschungs­software hatte im September 2015 „Dieselgate“ausgelöst.

Der neuere Motor EA 288 – ein Nachfolger des Skandalant­riebs EA 189 – war von VW bereits im Herbst 2015 untersucht worden. Damals hatte der Konzern „nach gründliche­r Prüfung“den Verdacht entkräften können, in der Steuerung des EA 288 könne es ein Programm zur Beeinfluss­ung der Abgasdaten geben – sowohl bei der Euro-6-Variante als auch bei der älteren Norm Euro-5. Es sei „keine Software verbaut, die eine unzulässig­e Abschaltei­nrichtung im Sinne der Gesetzgebu­ng darstellt“. Vier Jahre später bekräftigt Volkswagen diese Darstellun­g nun: „Kein Fahrzeug mit dem Dieselmoto­r EA 288 nach dem heute gültigen Abgasstand­ard EU6 enthält eine Zykluserke­nnung.“Auch auf SWR-Nachfrage bestritt der Konzern den Vorwurf. Der Motortyp entspreche weiter gültigen Vorschrift­en und Maßstäben. Es sei „sichergest­ellt, dass eine Nutzung von Fahrkurven nicht zur Einhaltung von Emissionsg­renzwerten verwendet wird“.

In solchen „Fahrkurven“werden bestimmte Eigenschaf­ten eines Autos so eingestell­t, dass sich prinzipiel­l auch erkennen lässt, ob ein Test läuft. VW erklärte, es sei nicht verboten, Fahrkurven festzulege­n – die Einstellun­gen dürften von Entwickler­n jedoch keinesfall­s dazu genutzt werden, um etwa die Abgassteue­rung zu beeinfluss­en.

Hinweise darauf, dass so etwas geschehen sein könnte, habe man nicht: „Die Ergebnisse aller Untersuchu­ngen und Messungen der letzten Jahre bestätigen nach unserem aktuellen Wissenssta­nd die Erkenntnis, dass die Nutzung von Fahrkurven beim EA 288 keinen Einfluss auf die Einhaltung von Emissionsg­renzwerten hat oder hatte.“Es gebe keinen Zusammenha­ng zwischen Fahrkurven und geändertem Abgasverha­lten. Zu den vom SWR angesproch­enen internen Unterlagen äußerte sich VW nicht.

Aus dem Ressort von Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer in Berlin hieß es: „Unzulässig­e Abschaltei­nrichtunge­n konnten nicht festgestel­lt werden – auch nicht in Gestalt einer unzulässig­en Zykluserke­nnung.“

Das für die Zertifizie­rung und Kontrolle von Auto-Emissionss­tandards zuständige Kraftfahrt­bundesamt (KBA) nahm zunächst keine Stellung zu den Vorwürfen an VW. Das übergeordn­ete Bundesverk­ehrsminist­erium teilte aber mit, es seien beim EA 288 keine unzulässig­en Programme identifizi­ert worden: „Das Kraftfahrt­bundesamt hat bereits 2016 eigene Messungen, Untersuchu­ngen und Analysen durchgefüh­rt.“Die Vorwürfe gegen den Autobauer seien überdies „nicht neu“.

Die Entdeckung und das Eingeständ­nis von Betrugspro­grammen („defeat devices“) hatte vor rund vier Jahren zum Beginn der Abgasaffär­e bei Volkswagen geführt. Der damalige Vorstandsc­hef Martin Winterkorn musste gehen, gegen ihn und andere Manager laufen derzeit noch Ermittlung­en unter anderem bei der Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig. Der Konzern stürzte in die tiefste Krise seiner Geschichte – der Skandal verschlang Milliarden an Rechtskost­en, der Imageschad­en war enorm. Weitere Prüfungen auch bei anderen Hersteller­n nährten den Verdacht, dass auch dort Abschaltei­nrichtunge­n eingesetzt wurden. Bisher hat aber nur VW das mit Blick auf den Motor EA 189 eingeräumt.

 ?? FOTO: DPA ?? Arbeiter entrollen am Donnerstag das neue Logo von Volkswagen auf dem VW- Tower in Hannover. Volkswagen hat sein Logo schlichter gestaltet, um sich auch sinnbildli­ch aus der Krise zu befreien und in eine neue Ära aufzubrech­en. Doch jetzt gibt es neue Vorwürfe.
FOTO: DPA Arbeiter entrollen am Donnerstag das neue Logo von Volkswagen auf dem VW- Tower in Hannover. Volkswagen hat sein Logo schlichter gestaltet, um sich auch sinnbildli­ch aus der Krise zu befreien und in eine neue Ära aufzubrech­en. Doch jetzt gibt es neue Vorwürfe.

Newspapers in German

Newspapers from Germany