Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Heiße Luft oder „Verbotswahn“?
Streit um Vorstoß von Niedersachsens Grünen – Kein generelles Luftballonverbot gefordert
HANNOVER (dpa) - Selten wurde abseits von Kindergeburtstagen so leidenschaftlich um Luftballons gestritten: Niedersachsens Grünen-Chefin hat eine Debatte über die Umweltgefahren von Ballons angestoßen und damit erboste Reaktionen geerntet. Das weiche Plastik von fliegen gelassenen Luftballons sei vor allem für Vögel schädlich, argumentierte Anne Kura in Hannover. Sie betonte: „Wir fordern kein generelles Luftballonverbot. Luftballons auf Kindergeburtstagen im Wohnzimmer sind völlig okay und machen Spaß.“
Also alles heiße Luft, die Aufregung verfehlt? Vertreter von CDU und FDP werfen den Grünen am Donnerstag vor, Spielverderber zu sein: Wie mit dem Veggie Day wolle die Partei die Bürger bevormunden.
Den Anstoß für die Diskussionen lieferte ein Beschluss in Gütersloh, auf den Kura von der „Neuen Osnabrücker Zeitung“angesprochen wurde: Die Stadt in Nordrhein-Westfalen hatte Anfang September entschieden, bei städtischen Veranstaltungen künftig auf den Aufstieg gasgefüllter Luftballons zu verzichten.
Ein Ballonverbot sei das aber nicht. „Mir geht es tatsächlich darum, dass, wenn man gasgefüllte Luftballons steigen lässt, die auf jeden Fall in der Natur landen und dann von Vögeln gefressen werden, die daran qualvoll verenden“, erläuterte Kura. Für dieses Problem wolle sie das Bewusstsein schärfen.
Der Gütersloher Beschluss sieht auch vor, dass der Ballonaufstieg in Genehmigungen zur Überlassung öffentlicher Flächen untersagt wird. In Einzelfällen, die auf höherrangigem Recht beruhen, etwa bei Demonstrationen, könne der Aufstieg von Ballons aber nicht verhindert werden, heißt es. Verabschiedet wurde der Beschluss in Gütersloh einstimmig, auch mit sechs Stimmen der CDU.
Auf EU-Ebene war ein Verbot von Luftballons im vergangenen Jahr diskutiert, dann aber verworfen worden. Von 2021 an sollen zwar Produkte mit Einmal-Plastik, für die es Alternativen gibt, vom europäischen Markt verschwinden, dazu gehören Plastikteller, Strohhalme und auch Luftballonstäbe, nicht aber die Ballons selbst.
Anders sieht es in den Niederlanden aus: Dort gab es im Frühjahr 2019 schon in 17 Prozent der Kommunen ein Verbot, Luftballons steigen zu lassen. Mehrere Parteien im Parlament in Den Haag wollen sich für weitere Verbote einsetzen, denn sie sind besorgt über Schäden durch Ballonreste in der Nordsee.
Forscher der australischen Universität Tasmanien stellten im Frühjahr fest, dass fast jeder fünfte Seevogel, der Ballonteile verschluckt, daran stirbt. Ballons verstopften den Magen-Darm-Trakt der Vögel, schrieben die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“. „Auch in der Nordsee werden immer wieder Vögel gefunden mit Plastikmüll im Magen“, sagte Kura. Der FDP-Fraktionsvize im Bundestag, Michael Theurer, sprach von einem „Verbotswahn“der Grünen und einer „Ökoradikalisierung“der Partei.