Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Grüne fordern Stadt zum Umdenken auf
Klimaschutz und die Integration der Weingartener Studenten sollen Priorität haben
WEINGARTEN - Mit Abstand die meisten Stimmen und acht Sitze im Weingartener Gemeinderat: Die Grünen haben von den Wählern bei der Kommunalwahl Ende Mai dieses Jahres einen klaren Auftrag bekommen. Weingarten soll grüner werden. Das muss ihrer Ansicht nach auch jetzt bei der Stadtverwaltung ankommen. Außerdem: Mit der Wahl von Roman Muth, Michael Müller und Ferdinand Gantner sitzen gleich drei Studenten für die Grünen im Weingartener Gemeinderat. Ein Zeichen, dass künftig auch die Belange junger Bürger stärker in den Fokus rücken werden, insbesondere die der 7000 Studenten.
„Wir müssen jetzt bei ökologischen Themen ins Tun kommen“, sagt Claus Kessel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. „Die Konzepte sind da.“Insbesondere meint Kessel damit die Nahverkehrssituation und den Wandel von Weingarten zu einer Fahrradstadt. „Fahrradfahren muss in Weingarten attraktiver werden“, sagt Kessel. „Da müssen wir ausprobieren, was funktioniert und was nicht.“Kessel kann sich vorstellen beispielsweise die Burachstraße für eine gewisse Zeit nur für Fahrradfahrer freizugeben, oder die Durchfahrt vom Löwenplatz bis zum Kaufland zu erlauben. Außerdem fordern die Grünen ein öffentliches Fahrradparkhaus am Ravensburger Bahnhof. Dieser sei immer noch die Hauptanlaufstelle für Pendler, die nach Weingarten wollen. Der Weingartener Bahnhof werde viel zu wenig genutzt, was vor allem an den schlechten Anschlussverbindungen liege.
Auch der öffentliche Nahverkehr müsse für die Bürger attraktiver werden. Die Verlängerung des Ein-EuroTickets an Samstagen sei ein wichtiger Schritt, allerdings fehle ein Angebot für Kurzstrecken. Vom Charlottenplatz bis zur Linse zahle man 2,20 Euro, genauso viel wie für die Strecke vom Charlottenplatz nach Ravensburg. Die Grünen wollen sich ebenfalls starkmachen für die Einführung des 365-Euro-Tickets, gültig für ein Jahr nach dem Vorbild des Wiener Modells.
Ziel dieser Politik ist, die Kohlendioxidemissionen zu senken und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Grüner soll auch die Innenstadt werden. „Wir brauchen mehr Bäume in Weingarten“, sagt Kessel. Ziel sei es 100 Stadtbäume in der Stadt zu haben. Gleiches gilt für die Begrünung von Flachdächern und Fassaden, um Lebensraum für Insekten zu schaffen. Dabei haben sie auch die neu entstehenden Martinshöfe auf dem ehemaligen Schuler-Areal im Visier. Dem bislang vorliegenden Bebauungsplan wollen sie in der Form nicht zustimmen, sagt Kessel. Aktuell ist eine zehn Zentimeter hohe Substratfläche für 80 Prozent der Dachflächen geplant. „Das ist zu wenig“, sagt Kessel. Die Grünen fordern, dass 20 Prozent der Flächen eine Substrathöhe von 40 Zentimeter haben sollen, da so höhere Stauden und trockenverträgliches Gehölz wachsen können. Zudem soll es mehr Dachgärten geben, die die Bewohner gemeinsam nutzen können.
Mit dem Wahlergebnis im Rücken erwarten die Grünen auch eine Reaktion der Stadtverwaltung. Dort sollen Klimaschutz und Nachhaltigkeit selbstverständlicher werden. „Die Verwaltung muss sich bewegen, sich mehr darauf ausrichten und mitdenken“, sagt Kessel.
Eine zweitgeteilte Stadt
Ein weiterer Schwerpunkt wird die Integration der rund 7000 Studenten in die Stadt sein, ein Thema das schon seit Jahren aktuell ist und bei dem sich bislang nicht wirklich viel getan hat. Das könnte sich nun ändern, denn die neuen Stadträte Roman Muth, Michael Müller und Ferdinand Gantner – allesamt selbst Studenten – wollen vermehrt die Belange der Jüngeren vertreten. „Im Moment ist die Stadt zweigeteilt“, sagt Roman Muth. Die Studenten führten ein Leben abseits der Stadt nicht in der Stadt. Um aus Weingarten eine studentische Stadt zu machen, müsse sich beim Kulturangebot etwas ändern, sagt Muth. Vor allem – wie im Kulturkonzept festgelegt – die Vernetzung der bereits bestehenden Angebote. Die Integration der Studenten müsse auch von der Stadtverwaltung gestützt werden. „Wir fordern ein Gremium, einen studentischen Ausschuss, der sich damit befasst“, sagt Muth. Der bestehende Kulturkreis reiche nicht aus.
Von einer „neuen Macht“der acht Grünen-Stadträte will Kessel allerdings nicht sprechen. „Wir brauchen kein Parteigeplänkel“, sagt er. „Es geht um Weingarten.“