Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Mit Hilfe aus der Formel 1
Wie Mercedes seine erste Saison in der vollelektrischen Formel E angeht
FRANKFURT - Licht aus, Film ab. Über die Bildschirme im Forum der Halle 1 auf der Frankfurter Messe flimmern Bilder aus der Vergangenheit. Rudolf Caracciola in den 1930er-Jahren im Silberpfeil, Juan Manuel Fangio zwei Jahrzehnte später. Dann ein Zeitsprung in die DTM, in die moderne Formel 1. Auf dem Weg in die Zukunft hat Mercedes zunächst einmal die Vergangenheit bemüht. In die Gegenwart werden die Besucher von Toto Wolff geholt. Der Mercedes-Motorsportchef erklärt, dass Mercedes auf „eine neue Mission“gehe. Diese heißt Formel E. „Die Formel 1 ist die Premiumklasse des Rennsports“, sagt der Teamchef des Dauer-Weltmeisters, „die Formel E stellt ein Start-up dar, in das Mercedes nun investiert.“
Nach Audi und BMW ist Mercedes der nächste deutsche Autohersteller, der in die vollelektrische Rennserie einsteigt. Porsche wird ebenfalls beim Auftakt der sechsten Saison am 22. November in Riad Strom geben. Die Formel E wird 14 Rennen in zwölf Städten bestreiten. Als einzige Stadt war in jeder Saison Berlin mit dabei.
Um erst einmal keine allzu großen Erwartungen zu schüren, versucht Mercedes demütig an die neue Aufgabe heranzugehen. „Wir wissen, dass die Formel E ganz anders ist als alle anderen Rennserien, in denen wir bislang angetreten sind“, sagt Formel-E-Teamchef Ian James.
Dabei startet das Mercedes-BenzEQ-Formel-E-Team, so der offizielle Namen, nicht bei null. Während alle Teams einheitliche Chassis und Batterien verwenden müssen, durfte der Antriebsstrang (unter anderem Motor, Getriebe sowie die Software für das Energie-Management) bei Mercedes-AMG High Performance Powertrains entstehen. In der Firma in Brixworth in England werden auch die Hybrid-Power-Units für die Formel 1 entwickelt. Die schwäbische Rennsportschmiede HWA, die in der vergangenen Saison quasi die Mercedes-Vorhut in der Elektroserie gebildet hat, führt die Renneinsätze durch und erhält Unterstützung aus der Formel-1-Zentrale in Brackley.
„Die Zusammenarbeit zwischen Affalterbach, Brackley, Brixworth und Stuttgart wird enorm wichtig sein“, sagt James, „dieser Wissenstransfer hilft uns, trotzdem ist die Formel E eine ganz andere Herausforderung, die wir nicht unterschätzen dürfen.“
Dieser organisatorische und technische Hintergrund hatte jedoch keinen allzu großen Neuigkeitswert. Dies war im Vorfeld schon verkündet worden. Deshalb noch einmal Licht aus, Musik an und den Lichtkegel auf zwei Personen gerichtet. Stoffel Vandoorne und Nyck de Vries werden die in Schwarz, Weiß und Silber lackierten Rennwagen pilotieren. Der Ex-Formel-1-Fahrer Vandoorne (Belgien) war bereits Fahrer im HWARacelab-Team, de Vries (Niederlande) hat schon einige Testfahrten für Audi in deren Formel-E-Auto absolviert und führt im Moment das Klassement in der Nachwuchsserie Formel 2 an.
Damit ist Mercedes das einzige deutsche Formel-E-Team, das keinen deutschen Fahrer in seinen Reihen hat. Bei Audi ist dies von Beginn an der Kemptener Daniel Abt, BMW hat in dieser Woche Maximilian Günther bekannt gegeben und für Porsche fährt der dreimalige Le-Mans-Sieger André Lotterer.
Im Gegensatz zur realen Mercedes-Präsentation hat Porsche sein Team komplett in der digitalen Welt vorgestellt. Auf der Internet-Plattform twitch hatten sich die PorscheFreunde einwählen müssen, dann konnten sie die Werkspiloten Neel Jani und André Lotterer zu ihrem neuen Dienstwagen führen – der dann ebenfalls enthüllt wurde. Ein Computerspiel im weitesten Sinne. „Unsere Zielgruppe in der Formel E sind junge Männer zwischen 18 und 29 Jahren“, erklärte eine PorscheSprecherin damals, „und diese Zielgruppe sitzt eben häufig vor dem Rechner und zockt.“
Gefahren wird aber auf den temporären Rennstrecken in den Städten. Nachdem die fünf roten Lampen an der Startampel erloschen sind.