Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Favre schon unter Druck
Für Borussia wird nach den ersten Saisonspielen das Duell mit Bayer Leverkusen bereits wegweisend
DORTMUND (SID) - Er redet zu wenig. Und zu wenig offensiv. Er ist leidenschaftslos. Er gibt zu viel Freizeit. Er wollte Mats Hummels eigentlich gar nicht so wirklich, er rotiert unzureichend. Beim Studium der Zeitungsschlagzeilen der vergangenen Tage ließe sich denken, Lucien Favre stehe bei Borussia Dortmund nach drei Spielen kurz vor der Entlassung. Das ist vor dem Duell mit Bayer Leverkusen am Samstag (15.30 Uhr/ Sky) sicherlich übertrieben, und doch: Der Druck auf den Schweizer ist nach der Pleite beim Aufsteiger Union Berlin (1:3) gestiegen.
Tage der Wahrheit für den BVB
„Wir sind stark genug für den Titel, aber wenn wir so spielen, dann sicherlich nicht“, sagte LizenzspielerChef Sebastian Kehl über den peinlichen Auftritt: „So ein Spiel darf uns nicht so häufig vorkommen, ansonsten brauchen wir über gar nichts mehr reden.“Das war keine explizite Ansage an den Trainer, aber doch deutlich. Vielleicht ist es das Grundproblem des BVB, dass eben jenes Reden Lucien Favre noch nie sonderlich behagt hat. Den neuen Hauch bayernhafter Großspurigkeit, den der Verein sich verordnet, das offensivere Auftreten im Kampf um den Meistertitel, trug er von Beginn an zögerlich mit – wenn überhaupt. Favre schlängelt sich mit seinem VonSpiel-zu-Spiel-Denken von Woche zu Woche, er ist kein Heißmacher.
„Lucien Favre ist jemand, der vieles analytisch sieht und vieles versucht, taktisch zu lösen“, sagte Julian Weigl der „Bild“. Es sei „ganz sicher nicht mucksmäuschenstill in der Kabine“. Marco Reus oder Co-Trainer Edin Terzic seien aber für das emotionale Wachrütteln zuständig.
In Berlin jedenfalls fehlte wohl genau dieses. Als es Mitte der zweiten Halbzeit eine Trinkpause gab und alle BVB-Spieler an der Außenlinie zusammenkamen, bereitete der Trainer eine Auswechslung vor. Er zeigte das Bild eines Mannes, der nicht aus seiner Haut kann.
Freilich wussten das Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke und Sportdirektor Michael Zorc vorher. Favre, der manchmal geniale Taktikfuchs, der detailversessene HyperAnalyst mit Hang zum Zaudern, dieser Ruf eilte ihm schließlich voraus. Was aber, wenn die Mannschaft „auch mal leiden und mit Mann und Maus verteidigen“muss, wie Weigl fordert? Die kommenden Tage werden wohl Antworten liefern. Nach dem Leverkusen-Spiel stellt sich am Dienstag der Gigant FC Barcelona in Dortmund vor. Es folgt das Spiel am Sonntag bei Eintracht Frankfurt.