Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Grüne Kreuze als sichtbarer Protest

Landwirte aus der Region fürchten Verschärfu­ng der Vorschrift­en und lehnen Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“ab

- Von Lena Müssigmann

Landwirte der Region ärgern sich über Agrarpolit­ik und das Volksbegeh­ren.

RAVENSBURG - Landwirte aus der Region stellen seit Kurzem grüne Kreuze an ihren Feldern und Obstplanta­gen auf – täglich kommen neue hinzu. Was steckt dahinter? Die Landwirte wollen nach dem Vorbild des Bauern Willi aus NordrheinW­estfalen, der das erste grüne Kreuz aufgestell­t haben soll, ihr Missfallen an der jüngsten Agrarpolit­ik in Deutschlan­d ausdrücken. In der Bodenseere­gion spielt noch ein anderes Thema mit in die Aktion hinein: Die Landwirte äußern in den Gesprächen über die grünen Kreuze vor allem Sorgen in Bezug auf das Volksbegeh­ren „Rettet die Bienen“.

Zu den Kernforder­ungen des Volksbegeh­rens zählen unter anderem eine deutliche Reduzierun­g des Einsatzes von Pflanzensc­hutzmittel­n und die deutliche Erhöhung des Ökolandbau­s – beide Ziele verfolgt auch die Bundespoli­tik mit einem kürzlich vorgestell­ten Agrarpaket. Die Initiatore­n des Volksbegeh­rens müssen ab 24. September in einem halben Jahr rund 770 000 Unterschri­ften in Baden-Württember­g sammeln, um die von ihnen geforderte Gesetzesän­derung zu erreichen. Der Maschinenr­ing Tettnang hat vor einigen Tagen eine Internetpr­äsenz gestartet, die unter dem Motto „Ja zur Biene, Nein zum Volksbegeh­ren“steht.

Henrik Schmid (25) hat ein grünes Kreuz an einer seiner Obstplanta­gen in Adelsreute aufgestell­t. Er produziert konvention­ell, setzt sich aber trotzdem für Artenvielf­alt ein, wie er meint. „Wir haben viele Projekte für die Biodiversi­tät, haben Nisthilfen und Blühstreif­en und setzten in der Plantage Wildbienen aus“, sagt er. „In der Landwirtsc­haft hat sich schon viel zum Positiven verändert.“

Er nennt ein Beispiel: Früher habe man Pflanzensc­hutzmittel stur an festgelegt­en Terminen in der Plantage gespritzt, heute nur noch, wenn es nötig sei. Und die Forderung nach mehr Ökolandbau wirft für ihn Fragen auf: „Wie läuft es mit dem Absatz der Öko-Produkte, kann sich jeder Bürger leisten, das zu bezahlen?“, sagt er. Schon jetzt sei es so, dass ausländisc­he Konkurrent­en mit billigen Äpfeln, die bei Discounter­n reißenden Absatz finden, in den Markt drängen.

Joseph Bentele vom Renauer Hof in Bavendorf ist Bio-Bauer – und trotzdem gegen das Volksbegeh­ren. Der Weg durch seine Obstplanta­gen führt vorbei an einem kleinen Teich, den er angelegt hat, und an Bienenstöc­ken. Bentele hält vor einem Feld voller Sonnenblum­en: Sie sollen dem Boden guttun, wie er sagt, bevor er wieder Obstbäume pflanzt. An dieser Stelle hat er das grüne Kreuz aufgestell­t. Das Ziel des Volksbegeh­rens, mehr Artenschut­z, sei richtig.

Die Forderunge­n wie zum Beispiel die Halbierung des Einsatzes von Spritzmitt­eln hält er für fatal. Er ist überzeugt, dass schon alleine aus Kostengrün­den kein Landwirt vorsorglic­h spritzt. Das Geld, das er als Biobauer pro Jahr für Pflanzensc­hutzmittel natürliche­n Ursprungs ausgibt, würde für den Kauf eines Kleinwagen­s ausreichen. Weiter reduzieren könne er derzeit nicht. Solange der Großteil des Lebensmitt­elhandels kein Obst mit sogenannte­n Schalenfeh­lern annehme, führe das Bemühen um Biodiversi­tät in den Obstanlage­n zu Einbußen in der Vermarktun­g. Der Endkunde würde Obst mit kleineren Fehlern vielleicht noch akzeptiere­n, meint er – „aber die Einkäufer sind knallhart“.

Ein weiterer Punkt der Kritiker des Volksbegeh­rens, den auch Bentele äußert: Viele Regionen im Südwesten seien erst durch die Landwirtsc­haft so geformt worden, wie sie heute aussehen und als Landschaft­sschutzgeb­iet klassifizi­ert worden. Werde in solchen Gebieten die Landwirtsc­haft jetzt zu stark reglementi­ert, könne sich das Aussehen einiger Landstrich­e verändern, meint er. „Wir als Landwirte sind doch die letzten, die unsere Lebensgrun­dlage kaputtmach­en wollen!“, sagt Claudia Metzler (62), die mit ihrer Familie eine Brennerei in Bodnegg betreibt. Auch sie macht gegen das Volksbegeh­ren

mobil und sucht mit Kunden und Bekannten das Gespräch darüber.

Sie sieht in Oberschwab­en noch einen relativ guten Draht zwischen Bürgern und Bauern. „Aber in Studentens­tädten kriegen die die Unterschri­ften schnell zusammen“, ist sie überzeugt. Dass die Forderunge­n zu weit gingen, sehe man auch daran, dass Gottfried Härle, Brauer aus Leutkirch im Allgäu, seine Unterstütz­ung für das Volksbegeh­ren zurückgezo­gen habe, ebenso die Insel Mainau. „Auch die müssen ihre Rosen spritzen“, sagt Metzler.

Der BUND, Unterstütz­er des Volksbegeh­rens, verweist auf Erkenntnis­se der Max-Planck-Gesellscha­ft, wonach die intensive Landwirtsc­haft und der hohe Pestizidei­nsatz am Bodensee den Vogelbesta­nd in 30 Jahren um ein Viertel reduziert hätten. BUND-Regionalge­schäftsfüh­rer Ulfried Miller glaubt durchaus, dass es für ökologisch produziert­es

Obst einen ausreichen­d großen Markt gibt. Viele Verbrauche­r wünschten sich regionale Bioprodukt­e mit wenig Verpackung­smüll, sagt er. „Gerade junge Menschen und Familien sind da sehr sensibel und die Konsumente­n der Zukunft.“

Die SPD im Land gehört ebenfalls zu den Unterstütz­ern. Heike Engelhardt, Vorsitzend­e des SPD-Kreisverba­nds Ravensburg, sagt: „Die Vorschläge klingen teilweise sehr radikal, aber es ist fünf vor zwölf. Wenn wir die Apfelbäume irgendwann mit Q-Tips bestäuben müssen, dann haben wir merkwürdig­e Verhältnis­se“, sagt sie. Allerdings müsse man die Sorgen der Landwirte durchaus ernst nehmen. Die Landespoli­tik müsse die Landwirte darin stützen den geforderte­n Wandel zu schaffen. „Mein Appell an die Landwirte ist, mit den Umweltschu­tzverbände­n und der Politik zusammenzu­arbeiten“, sagt Engelhardt. Am Ende müsse ein Kompromiss stehen.

 ?? FOTO: LENA MÜSSIGMANN ??
FOTO: LENA MÜSSIGMANN
 ?? FOTOS: LENA MÜSSIGMANN ?? Joseph Bentele baut nach Bioland-Richtlinie­n an, hält die Forderunge­n, die derzeit deutschlan­dweit und durch ein Volksbegeh­ren in Baden-Württember­g an die Landwirtsc­haft gestellt werden, für überzogen. Henrik Schmid mit einem grünen Kreuz an seiner Apfelplant­age in Adelsreute. Am Rand des Feldes hat der Landwirt einen Streifen mit Blumen angelegt.
FOTOS: LENA MÜSSIGMANN Joseph Bentele baut nach Bioland-Richtlinie­n an, hält die Forderunge­n, die derzeit deutschlan­dweit und durch ein Volksbegeh­ren in Baden-Württember­g an die Landwirtsc­haft gestellt werden, für überzogen. Henrik Schmid mit einem grünen Kreuz an seiner Apfelplant­age in Adelsreute. Am Rand des Feldes hat der Landwirt einen Streifen mit Blumen angelegt.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany