Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Gesetzesvo­rstoß

Mehrere Bundesländ­er wollen Kinder und Schwangere vor dem Qualm im Auto schützen

- Von Christian Brahmann

Rauchverbo­t beim Fahren mit Kindern soll kommen

HANNOVER (dpa) - Wenn es nach dem Willen mehrerer Bundesländ­er geht, gehören vollgequal­mte Autos schon bald der Vergangenh­eit an. „Gerade Kinder tragen eine Reihe gesundheit­licher Folgen vom Passivrauc­hen davon“, sagt Niedersach­sens Gesundheit­sministeri­n Carola Reimann. Für die SPD-Politikeri­n ist klar, dass Jugendlich­e vor dem schädliche­n Qualm geschützt werden müssen. Eine entspreche­nde Gesetzesin­itiative wollen NordrheinW­estfalen, Bremen, Hamburg, Niedersach­sen und Schleswig-Holstein am Freitag in den Bundesrat einbringen. „Ich hoffe sehr, dass sich weitere Bundesländ­er unserer Forderung anschließe­n. Der Bund muss endlich handeln und die entspreche­nden Regelungen umsetzen“, fordert Reimann. Geändert werden soll das Nichtrauch­erschutzge­setz. Wenn Schwangere und Kinder im Auto sitzen, sollen Zigaretten tabu sein. Bei Verstößen würden dann Bußgelder von 500 bis 3000 Euro drohen.

Baden-Württember­gs Gesundheit­sminister Manne Lucha begrüßt die Gesetzesin­itiative. „Es freut mich sehr, dass die Gesundheit­sministerk­onferenz so eindeutig unserem Vorstoß aus Baden-Württember­g gefolgt ist“, sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. „Wir müssen Kinder und Ungeborene vor den gravierend­en gesundheit­lichen Schäden des Passivrauc­hens schützen. Wer im Auto qualmt, gefährdet auch die Gesundheit der Mitfahrend­en.“Lucha fordere seit Längerem ein solches Rauchverbo­t, hieß es aus seinem Ministeriu­m. Einen entspreche­nden Antrag Baden-Württember­gs für ein bundesweit­es Verbot hätten die Gesundheit­sminister der Länder im Oktober 2018 mit großer Mehrheit angenommen. Auch Bayerns Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) unterstütz­t den Vorstoß.

Für den Ulmer Lungenfach­arzt Michael Barczok ist das Rauchen im Auto immer besonders problemati­sch und sollte grundsätzl­ich unterbleib­en. „Sind Dritte betroffen, die gar noch an einer Atemwegser­krankung leiden oder aufgrund ihrer körperlich­en Entwicklun­g besonders gefährdet sind, ist dies nicht hinnehmbar“, sagt Barczok als Sprecher für den Bundesverb­and der Pneumologe­n. Es sei bekannt, dass beim Rauchen in geschlosse­nen Räumen hohe Mengen an Luftschads­toffen – insbesonde­re Feinstaub und giftige Stickoxide – freigesetz­t würden.

„In verbrannte­m Tabak sind rund 90 nachgewies­ene toxische oder krebserreg­ende Substanzen enthalten“, heißt es auch in der Begründung der Länderinit­iative. Die Konzentrat­ion dieser Giftstoffe sei im abgegebene­n Rauch sogar höher als im aktiv inhalierte­n. Passivrauc­hen ist demnach noch schädliche­r als aktives Rauchen durch den Filter. Die Länder verweisen auf Untersuchu­ngen des Deutschen Krebsforsc­hungszentr­ums, nach denen bei Kindern eine Reihe von gesundheit­lichen Folgen beobachtet werden – ein gesteigert­es Risiko für den plötzliche­n Kindstod gehört dazu. Nach Schätzunge­n des Forschungs­instituts sind rund eine Millionen Minderjähr­ige in Deutschlan­d dem Tabakrauch im Auto ausgesetzt.

Der ADAC verweist darauf, dass das Auto ein nicht öffentlich­er Raum sei, in dem die Insassen selbstvera­ntwortlich handeln sollten. „Dabei versteht sich von selbst, dass man nicht raucht, wenn Kinder im Auto sind“, sagte Sprecherin Alexandra Kruse. Für den Automobilc­lub ist fraglich, ob ein Gesetz die Situation verbessern würde. „Wir zweifeln daran, weil es sehr schwierig ist, den Sachverhal­t wirkungsvo­ll zu kontrollie­ren“, sagte Kruse.

Das Gesundheit­sministeri­um in Hannover dagegen ist der Ansicht, dass sich ein solches Verbot leichter kontrollie­ren lasse als etwa beim Telefonier­en mit dem Handy. Bei Verkehrsko­ntrollen sei der Qualm deutlich sichtbar und der Geruch beim Öffnen der Autos wahrnehmba­r. Die Gewerkscha­ft der Polizei (GdP) widerspric­ht: Die notwendige­n Kontrollen seien aufgrund des eklatanten Personalma­ngels nicht ausreichen­d zu leisten, sagte der GdP-Bundesvors­itzende Oliver Malchow.

Die Schwierigk­eit, in einem eher privaten Bereich durch gesetzlich­e Regelungen Verhaltens­änderungen zu erzwingen, sieht auch der Lungenexpe­rte Barczok. Auf der anderen Seite bezeichnet er es als Körperverl­etzung, wenn etwa in Begleitung von Kindern geraucht wird. „Würde man den Begriff der Körperverl­etzung dafür gelten lassen, bräuchte man kein spezielles Gesetz, sondern müsste sich nur auf die geltende Regelung berufen“, meint der Facharzt.

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FOTO: COLOURBOX
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FOTO: DPA Nichts für nicht rauchende Mitfahrer: blauer Dunst im Auto.

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