Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Hauptsache, Hui Buh geht’s gut
Darf ein Ziegenbock als Familienmitglied gehalten werden? – Diese Frage hat das Verwaltungsgericht München klar mit Nein beantwortet
MÜNCHEN - Bevor es hier um die juristische Posse rund um die Zwergziege Hui Buh gehen wird, zunächst etwas Erfreuliches: Dem Tier geht es inzwischen besser. Zwar sei der Ziegenbock immer noch stark auf Menschen fixiert, was für solch ein Herdentier widernatürlich sei, sagt Pfleger Gerd Walther, der Hui Buh im Gnadenhof Gut Streiflach nahe München betreut. „Aber er traut sich mittlerweile langsam an den Rest der Herde ran.“Was Gerd Walther von dem eben ergangenen Urteil hält? „Ich finde es gut“, sagt der Pfleger, der an diesem Mittwochnachmittag als Zuschauer ins Verwaltungsgericht München gekommen ist. „Weil ich denke, dass es dem Tier bei uns besser geht.“
Ganz anderer Meinung sind da die zwei Frauen, die weiter vorne im Gerichtssaal auf der Klägerbank sitzen – und denen Tränen in den Augen stehen: Elisabeth Anders (55) und ihre Tochter Magdalena Anders (29). Die beiden haben vor Gericht um die Rückgabe des Zwergziegenbocks Hui Buh gekämpft, den sie nach der Geburt auf den Namen des Schlossgespensts getauft, zu sich nach Hause genommen und dort mit der Flasche aufgezogen haben. „Er war ein richtiges Familienmitglied“, sagt Elisabeth Anders. „Er war unser Lebensinhalt.“Doch das Tier wurde Mutter und Tochter im April dieses Jahres vom zuständigen Landratsamt München weggenommen. Der Grund: Die Ziege sei nicht artgerecht gehalten worden. Gegen diese Entscheidung hat Magdalena Anders geklagt – und jetzt verloren.
Ziege auf dem Beifahrersitz
„Sie haben das Tier im Schlafzimmer gehalten und bei sich im Bett schlafen lassen“, wirft Amtstierärztin Andrea Jahrbeck in der Verhandlung der Tochter vor. Überdies durfte Hui Buh auf dem Beifahrersitz im Auto mitfahren – was schließlich dem Landratsamt auffiel, das daraufhin eingriff. Auch Richter Dietmar Wolff berichtet von Fotos aus dem Hause Anders, die nicht eben für die Familie sprechen: „Wenn das die Räume sind, wo das Tier gehalten wurde, dann ist das nicht unbedingt eine ziegengerechte Haltung.“
Ganz anders sieht das die Anwältin der Klägerin, Monika Wiegand. Sie verweist darauf, dass Hui Buh nach der Geburt „neurologische Ausfälle“hatte, von seiner Mutter verstoßen wurde und nicht eigenständig trinken konnte. Nur deshalb habe die Familie Anders den Ziegenbock zu sich nach Hause genommen. „Das Tier war so krank, dass es nicht im Stall bleiben konnte“, betont Wiegand. Wobei Hui Buh nicht dauerhaft im Hotel Mama bleiben sollte: „Meine Mandantin hat sich bemüht, den Ziegenbock so schnell wie möglich ordnungsgemäß unterzubringen.“Doch gerade, als ein Stall und zwei Artgenossen gefunden waren, die dem Tier Gesellschaft leisten sollten, sei die Polizei aufgetaucht und habe Hui Buh weggenommen, klagt Monika Wiegand. „Das war eine unverhältnismäßige Überreaktion.“
In der Tat habe sich das Landratsamt München „für die strengste Maßnahme entschieden“, sagt Richter Dietmar Wolff. Doch dies zu bewerten, sei nicht Aufgabe des Gerichts. An dem Tatbestand an sich gebe es derweil nichts zu rütteln, so Wolff. Und eine Rückgabe von Hui Buh komme ohnehin nicht infrage, nachdem das Landratsamt Erding im Januar ein bayernweites Tierhaltungsverbot gegen Mutter und Tochter verhängt habe. In dem betreffenden Verfahren ging es um die übrige Ziegenherde der Familie; eine Klage gegen die Entscheidung hat das Verwaltungsgericht vor einigen Monaten abgewiesen. „Das ist Ihr Hauptproblem“, sagt der Richter zu Magdalena Anders. „Wie soll eine Rückgabe funktionieren, wenn es ein Haltungsverbot gibt?“
Auf diese Frage wissen weder die Klägerin noch ihre Anwältin eine Antwort. „Mir geht‘s doch nur um Hui Buh!“, sagt Magdalena Anders mit zitternder Stimme – wohl schon ahnend, wie das Urteil von Richter Wolff wenig später lauten wird: „Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten.“Wahrscheinlich hätte das Gericht anders entschieden, so Wolff, wenn im Laufe des Verfahrens ein ärztliches Attest vorgelegt worden wäre, wonach „dieses Tier aus Gründen des Tierwohls tatsächlich besser einzeln zu halten ist als in einer Herde“. Doch das sei nicht geschehen.
Kurz nach der Urteilsverkündung gibt sich Elisabeth Anders schon wieder kämpferisch. „Für uns ist die Sache noch nicht erledigt“, betont sie gegenüber den zahlreichen Reportern. „Wir werden weiter kämpfen.“Derweil bleibt Hui Buh im Gnadenhof Gut Streiflach, wo er seit April lebt. Dort gehe es ihm ganz gut, hat Andrea Jahrbeck in der Verhandlung gesagt. Er sei jedoch „weiter sehr stark auf Menschen fixiert, auch von seinem Sexualverhalten her“, so die Tierärztin. „Wahrscheinlich weiß er bis heute nicht wirklich, dass er eine Ziege ist.“