Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Offener Zwist nach verhinderter Baumfällaktion
Besitzer der Rotbuche werfen Stadt Verschleppung einer Baugenehmigung vor
RAVENSBURG - Nach der Intervention von Baubürgermeister Dirk Bastin, Grünen-Politikern und dem BUND bei einer umstrittenen Baumfällung in Ravensburg hat sich die Besitzerin mit einem offenen Brief an Oberbürgermeister Daniel Rapp gewandt. Sie wirft der Stadtverwaltung vor, ihren Bauantrag verschleppt zu haben.
Am Samstagmorgen hatten Grünen-Stadträte zusammen mit einem BUND-Vertreter, Baubürgermeister Dirk Bastin und der Polizei die Fällung einer großen Rotbuche auf dem Grundstück der Frau in der Südstadt gestoppt. Bei einem so prächtigen Baum hätte untersucht werden müssen, ob er geschützten Tieren Lebensraum biete, erklärte Bastin. Einen entsprechenden Nachweis der Naturschutzbehörde, den Bastin verlangt hat, konnte die Eigentümerin am Samstag aber laut Bastin und weiteren Beobachtern nicht zeigen.
Im offenen Brief schildert die Anwältin der Grundstückseigentümerin die Vorgeschichte, wonach diese im März 2019 eine Baugenehmigung beantragt hat, um auf dem Gelände ein neues Gebäude mit Praxisräumen und Wohnungen zu bauen. Die Baubehörde habe im Juni mitgeteilt, dass dies wegen des Baums nicht möglich sei, weil in Ravensburg wohl demnächst eine Baumschutzsatzung beschlossen werde. Die Anwältin, die den Brief verfasst hat, sieht für die Verweigerung der Baugenehmigung aber derzeit keine rechtliche Grundlage. Ein Antrag dürfe nicht so lange verzögert werden, „bis ein Grund geschaffen worden ist, der dann der Erteilung einer längst beantragten Baugenehmigung entgegensteht“, schreibt sie. Die Grundstückseigentümerin habe sich daher entschlossen, den Baum fällen zu lassen. Die Zustimmung der unteren Naturschutzbehörde sei dafür eingeholt worden.
Das dafür zuständige Landratsamt konnte aufgrund von Urlaubszeiten bislang nicht eindeutig klären, ob ein Sachbearbeiter tatsächlich Auskunft zum konkreten Fall gegeben hat. Zur grundsätzlichen Rechtslage teilt die Behörde mit, dass nur der Artenschutz der Fällung eines Baumes auf Privatgelände entgegenstehen könnte. Derzeit sei allerdings jegliche Vogelbrut beendet. Bei telefonischer Beratung werde aber darauf hingewiesen, dass ein Baum bei einer Begehung auf Baumhöhlen untersucht werden müsse.
Für Bastin steht aber fest, dass die Eigentümer die Stadt im Vorfeld hinters Licht geführt haben, indem sie beim Ordnungsamt eine Straßensperrung wegen „Baumpflegearbeiten“beantragt haben. Von einer Fällung war demnach keine Rede. „Sie haben sich sozusagen unsere Verkehrssicherung erschlichen.“
Von einer Verschleppung der Baugenehmigung durch die Stadtverwaltung könne ebenfalls nicht gesprochen werden. Die Frist für die Bearbeitung eines Baugesuchs betrage zwölf Wochen ab dem Zeitpunkt, zu dem alle Unterlagen vollständig vorliegen, so Bastin. Zu einer mehrfach vorgeschlagenen Reduzierung des Baumvolumens zugunsten des Baumes habe die Besitzerin erst Anfang dieser Woche nach der verhinderten Baumfällung erstmals Bereitschaft gezeigt.