Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
66,6 Millionen Euro: So viel ist Weingarten wert
Stadtkämmerei schließt Vermögensbewertung im Rahmen der Doppik-Umstellung ab
WEINGARTEN - Jetzt steht es also fest: Der Wert der Stadt Weingarten beträgt knapp 66,6 Millionen Euro. Wie Stadtkämmerer Daniel Gallasch im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärte, sei damit ein wichtiger Schritt im Rahmen der Umstellung des Haushalts von Kameralistik auf die doppelte Buchführung, auch Doppik genannt, gemacht. Die Umstellung ist vom Gesetzgeber vorgeschrieben und begann zum Jahresanfang 2019 (SZ berichtete).
Mit dem Abschied von der Kameralistik endet das Prinzip der reinen Ausgaben- und Einnahmen-Rechnung, so wie die meisten privaten Haushalte rechnen. Wie viel Geld steht monatlich zur Verfügung? Was wird für Miete, Essen, Kleidung oder Auto gebraucht? Was bleibt zum Sparen übrig? Wie finanziert man eine außergewöhnliche Anschaffung? Braucht es einen Kredit? Oder kann man auf Angespartes zurückgreifen?
So einfach dieses Prinzip ist, hat es aber auch Schwächen, denn es berücksichtigt nicht den Wert einzelner Posten, wie Autos, Straßen oder öffentlicher Gebäude. Sie werden in der Kameralistik immer gleich gesehen, obwohl ihr Wert und Zustand über die Jahre hinweg gesunken beziehungsweise miserabel ist.
Mit der Umstellung auf die doppelte Buchführung soll dies nun anders werden. Die Stadt Weingarten führt damit ihre Bücher wie ein Unternehmen und legt eine Gewinnund Verlustrechnung vor. Im neuen System ist dann der Werteverlust von Gebäuden, Straßen und Grundstücken berücksichtigt. Diesen Werteverlust muss die Stadt erwirtschaften, um reinvestieren zu können. „Mit der Doppik kann man vorausschauen und kontinuierlicher in Projekte investieren im Sinne der Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit “, sagt Stadtkämmerer Daniel Gallasch. So können beispielsweise Schulen regelmäßiger saniert werden, anstatt Investitionen bis zum Verfall hinauszuzögern.
Doch dazu mussten Projektleiter Dennis Langhans und sein Team das Stadteigentum bewerten. Diese Arbeit ist nun abgeschlossen. Ergebnis: Der Wert der Stadt Weingarten beläuft sich insgesamt auf 66,6 Millionen Euro. Ausgenommen von der Bewertung sind die Eigenbetriebe der Stadt wie das Kultur- und Kongresszentrum. Der Löwenanteil der Bewertung mit 17,3 Millionen Euro entfällt dabei auf die Schulen, gefolgt von Straßen, Wegen, Plätzen und Verkehrslenkungsanlagen mit 11,7 Millionen Euro und Ackerland mit knapp 2,4 Millionen Euro.
Wichtig ist, dass es sich bei der Bewertung um Bilanzwerte handelt und nicht um Marktwerte. Weingartens Rathaus hat beispielsweise einen Bilanzwert von 298 925 Euro, was natürlich nicht der Preis ist, zu dem es zu kaufen wäre.
Grundlage der Bewertung sind die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie das Aktivierungsdatum, anhand dessen die Dauer der Abschreibungen, des Werteverlustes also, festgelegt wird. Für das Rathaus bedeutet dies: Da das Aktivierungsdatum länger als sechs Jahre her ist und die ursprünglichen Anschaffungskosten nicht mehr ermittelbar sind – das Rathaus wurde im 17. Jahrhundert gebaut –, fallen als Kosten und damit als Wertgrundlage die Aufwendungen für die Sanierung aus dem Jahr 2013 an. Diese betrugen exakt 365 352,18 Euro. Der jährliche Wertverlust, die sogenannte Abschreibung, beträgt knapp 11 000 Euro. Macht also über sechs Jahre hinweg knapp 300 000 Euro an Bilanzwert.
Bewertet wurden knapp 1200 Grundstücke und etwa 120 Gebäude. Aber auch Einzelgegenstände, wie die Kunstwerke aus dem Alamannenmuseum, musste ein Fachmann bewerten. So wurde ein Sturzbecher aus Glas in Grab 2447 mit 1000 Euro berechnet. Einen Werteverfall gibt es hier allerdings nicht.
Die Kosten für die Doppik-Umstellung muss die Stadt allein tragen. Und die sind beträchtlich. Seit 2016 hat Weingarten allein in neues Personal 110 000 Euro investiert. Hinzu kamen über 60 000 Euro für Schulungen und noch einmal 45 000 Euro für die Umstellung der Software.
Doch damit nicht genug. Auch nach der Umstellung fallen weitere Kosten an: 55 000 Euro jährlich für Personal und 107 000 Euro für das kommunale Rechenzentrum. Kosten, die der Stadt per Gesetz aufgebürdet wurden.
Bis zur Eröffnungsbilanz wird es aber noch eine Weile dauern. Vermutlich nächstes Jahr wird sie präsentiert.