Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Räte entscheiden gegen eigene Überzeugung
Beim Thema Müll beugt sich der Wangener Gemeinderat dem Willen des Landkreises
WANGEN - Im Prinzip sind sich die Stadträte einig: Wangen hat ein besseres Restmüll-Entsorgungsystem als der Kreis. Dennoch lenken sie jetzt ein und akzeptieren eine Übernahme der Abfallwirtschaft durch das Landratsamt. Wie schwer den Stadtpolitikern die Entscheidung fiel, wurde bei der Debatte dazu in der jüngsten Gemeinderatssitzung klar.
Am deutlichsten wurde Gerhard Lang (SPD): „Das einheitliche System müsste unser System sein“, sagte er und sprach damit das in Wangen bevorzugte Prinzip der Verwiegung an, während kreisweit die Gebühren auch nach der Anzahl der genutzten Tonnenleerungen abgerechnet werden. Denn, so Lang: „Der Restmüll im ZAK wird ja auch nicht nach Fahrzeugen, sondern nach Gewicht berechnet.“
Insofern herrsche bei der Übernahme des kreisweiten Systems „ein gewisser Grad der Ungerechtigkeit“vor. Zumal der SPD-Stadtrat mit Blick auf geringere Müllmengen und die Einbindung der Vereine die „ökologische und soziale Funktion“des Wangener Prinzips im Vorteil sah.
GOL-Fraktionschef Tilman Schauwecker kündigte an, wegen derlei Vorteilen dem Verwiegesystem „mehr als nur eine Träne nachweinen“zu wollen. Christian Natterer (CDU) sah zwar lediglich „Nuancen“zwischen beiden System bei der Müllvermeidung, sprach sich in der Tendenz aber ebenfalls für die Wangener Lösung aus. Und Hermann Schad (Freie Wähler) bekannte: „So richtig glücklich ist niemand mit der Sache.“
Letzterer plädierte allerdings dennoch für die Übernahme der Restmüllentsorgung durch den Kreis – allein schon, weil es eigentlich dessen Aufgabe ist. Zudem seien unterschiedliche Systeme innerhalb eines Landkreises den Bürgern „ein Stück weit nicht vermittelbar“.
In der Quintessenz votierten die Stadträte mehrheitlich für einen am Ende noch leicht veränderten Beschlussvorschlag der Verwaltung, den Tilman Schauwecker in seiner Formulierung als „brillant“formuliert bezeichnete und der laut Gerhard Lang „klar und deutlich die Sprache spricht, dass man unser System gerne behalten möchte“. TRAUERANZEIGEN
Das heißt erstens: Wangen würde es „positiv bewerten“, wenn der Kreis weiterhin die Aufgaben der Abfallwirtschaft an die Stadt delegiert – und das Verwiegesystem damit erhalten bleiben kann. Er bedeutet zweitens aber auch: „Die Stadt akzeptiert den Wunsch des Landkreises auf ein einheitliches System (...).“Und drittens bittet die Stadt den Kreis darum, die örtlichen Vereine „wie bisher und dauerhaft“in das Sammel- und Erfassungsystem einzubinden. Im Klartext: Stadt und Rat bleiben bei ihren Überzeugungen, beugen sich aber dem Kreiswillen – auch weil sie wissen, dass der am längeren Hebel sitzt, sprich der Kreistag sich über Wangener Wünsche hinwegsetzen könnte.
OB Michael Lang, der sich über Jahre hinweg und bis zum Sommer auf verschiedenen Ebenen für die Wangener Lösung eingesetzt hatte, begründete unter anderem damit das Einlenken. Denn: „Eigentlich ist die Entscheidung vor fünf Jahren getroffen worden“, erklärte er mit Blick auf den seinerzeitigen Kreistagsbeschluss. Der beließ bei der Vereinheitlichung der Abfallwirtschaft den Städten Wangen und Isny ihre Sonderwege bis Ende 2020 – aber danach ausdrücklich nur noch mit Zustimmung des Kreisparlaments. „Damals wurde mitentschieden, dass wir irgendwann folgen müssen“, so Lang jetzt.
Auch argumentativ erkennt der Rathauschef mittlerweile Vorteile in der Kreislösung: 2016 eingeführt, habe sie seither gut funktioniert. Auch hätten es Bürger bei Umzügen einfacher, weil sie sich nicht umgewöhnen müssten. Und letztlich reagierte der OB auch auf die Ankündigung des Kreises, dass Wangen bei Beibehaltung des eigenen Systems künftig selbst mit großen Entsorgern wie dem Dualen System klar kommen müsse: „Diese schwierigen Verhandlungen wollen wir nicht führen müssen.“Lieber konzentriere man sich auf „echte kommunale Aufgaben“.