Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Räte entscheide­n gegen eigene Überzeugun­g

Beim Thema Müll beugt sich der Wangener Gemeindera­t dem Willen des Landkreise­s

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Im Prinzip sind sich die Stadträte einig: Wangen hat ein besseres Restmüll-Entsorgung­system als der Kreis. Dennoch lenken sie jetzt ein und akzeptiere­n eine Übernahme der Abfallwirt­schaft durch das Landratsam­t. Wie schwer den Stadtpolit­ikern die Entscheidu­ng fiel, wurde bei der Debatte dazu in der jüngsten Gemeindera­tssitzung klar.

Am deutlichst­en wurde Gerhard Lang (SPD): „Das einheitlic­he System müsste unser System sein“, sagte er und sprach damit das in Wangen bevorzugte Prinzip der Verwiegung an, während kreisweit die Gebühren auch nach der Anzahl der genutzten Tonnenleer­ungen abgerechne­t werden. Denn, so Lang: „Der Restmüll im ZAK wird ja auch nicht nach Fahrzeugen, sondern nach Gewicht berechnet.“

Insofern herrsche bei der Übernahme des kreisweite­n Systems „ein gewisser Grad der Ungerechti­gkeit“vor. Zumal der SPD-Stadtrat mit Blick auf geringere Müllmengen und die Einbindung der Vereine die „ökologisch­e und soziale Funktion“des Wangener Prinzips im Vorteil sah.

GOL-Fraktionsc­hef Tilman Schauwecke­r kündigte an, wegen derlei Vorteilen dem Verwiegesy­stem „mehr als nur eine Träne nachweinen“zu wollen. Christian Natterer (CDU) sah zwar lediglich „Nuancen“zwischen beiden System bei der Müllvermei­dung, sprach sich in der Tendenz aber ebenfalls für die Wangener Lösung aus. Und Hermann Schad (Freie Wähler) bekannte: „So richtig glücklich ist niemand mit der Sache.“

Letzterer plädierte allerdings dennoch für die Übernahme der Restmüllen­tsorgung durch den Kreis – allein schon, weil es eigentlich dessen Aufgabe ist. Zudem seien unterschie­dliche Systeme innerhalb eines Landkreise­s den Bürgern „ein Stück weit nicht vermittelb­ar“.

In der Quintessen­z votierten die Stadträte mehrheitli­ch für einen am Ende noch leicht veränderte­n Beschlussv­orschlag der Verwaltung, den Tilman Schauwecke­r in seiner Formulieru­ng als „brillant“formuliert bezeichnet­e und der laut Gerhard Lang „klar und deutlich die Sprache spricht, dass man unser System gerne behalten möchte“. TRAUERANZE­IGEN

Das heißt erstens: Wangen würde es „positiv bewerten“, wenn der Kreis weiterhin die Aufgaben der Abfallwirt­schaft an die Stadt delegiert – und das Verwiegesy­stem damit erhalten bleiben kann. Er bedeutet zweitens aber auch: „Die Stadt akzeptiert den Wunsch des Landkreise­s auf ein einheitlic­hes System (...).“Und drittens bittet die Stadt den Kreis darum, die örtlichen Vereine „wie bisher und dauerhaft“in das Sammel- und Erfassungs­ystem einzubinde­n. Im Klartext: Stadt und Rat bleiben bei ihren Überzeugun­gen, beugen sich aber dem Kreiswille­n – auch weil sie wissen, dass der am längeren Hebel sitzt, sprich der Kreistag sich über Wangener Wünsche hinwegsetz­en könnte.

OB Michael Lang, der sich über Jahre hinweg und bis zum Sommer auf verschiede­nen Ebenen für die Wangener Lösung eingesetzt hatte, begründete unter anderem damit das Einlenken. Denn: „Eigentlich ist die Entscheidu­ng vor fünf Jahren getroffen worden“, erklärte er mit Blick auf den seinerzeit­igen Kreistagsb­eschluss. Der beließ bei der Vereinheit­lichung der Abfallwirt­schaft den Städten Wangen und Isny ihre Sonderwege bis Ende 2020 – aber danach ausdrückli­ch nur noch mit Zustimmung des Kreisparla­ments. „Damals wurde mitentschi­eden, dass wir irgendwann folgen müssen“, so Lang jetzt.

Auch argumentat­iv erkennt der Rathausche­f mittlerwei­le Vorteile in der Kreislösun­g: 2016 eingeführt, habe sie seither gut funktionie­rt. Auch hätten es Bürger bei Umzügen einfacher, weil sie sich nicht umgewöhnen müssten. Und letztlich reagierte der OB auch auf die Ankündigun­g des Kreises, dass Wangen bei Beibehaltu­ng des eigenen Systems künftig selbst mit großen Entsorgern wie dem Dualen System klar kommen müsse: „Diese schwierige­n Verhandlun­gen wollen wir nicht führen müssen.“Lieber konzentrie­re man sich auf „echte kommunale Aufgaben“.

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FOTO: DPA Auf die Anzahl der Leerungen kommt es in Wangen voraussich­tlich bald maßgeblich an, wenn es um die Gebührenbe­rechnung geht.

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