Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
3, 2, 1 – Geismayr hat ein klares Ziel
Centurion-Vaude-Fahrer fährt bei der Mountainbike-Marathon-WM um den Titel
GRÄCHEN - Überragend. Wenn es ein Wort gab, das Richard Dämpfle in den zurückliegenden Monaten immer und immer wieder in den Mund genommen hat, dann war es: überragend. Und in aller Regel galt es der Leistung seines absoluten Topfahrers. Auch vor der MountainbikeMarathon-WM am kommenden Sonntag in Grächen in der Schweiz benutzt es Dämpfle, Manager des Teams Centurion Vaude, wieder. Und wieder im Zusammenhang mit dem 30-jährigen Daniel Geismayr, der als einer der großen Favoriten auf den Weltmeistertitel gilt.
Daniel Geismayr erreicht dieses neuerliche Lob am Mittwochvormittag telefonisch bereits an dem Ort, an dem es am Sonntag ernst wird. Schon seit einer knappen Woche ist der Dornbirner in Grächen, um sich voll und ganz auf seine Aufgabe konzentrieren zu können. Und auf sein klares Ziel: Nach den Plätzen drei und zwei in den beiden Vorjahren soll es diesmal der Platz ganz oben auf dem Podium sein. Die Form jedenfalls stimmt. „Es läuft alles bestens“, sagt Geismayr. „Optimal“sei bisher der Leistungsaufbau hin zum Saisonhöhepunkt gewesen. Und dann ist da ja noch die Strecke. Erstens kennt Geismayr sie schon im Renntempo (2015 war sie Teil des Swiss Epic), zweitens entspricht das Profil genau seinen Stärken. Dazu kommt Geismayrs Selbstbewusstsein, das die aktuelle Saison nicht gerade geschmälert hat. Österreichischer Meister ist er wieder geworden, bei der Transalp war er stärkster Fahrer und holte mit Jochen Käß auf einer dramatischen Schlussetappe den Gesamtsieg, dazu war er viel auf der Straße unterwegs und holte sich weitere Wettkampfhärte. „Es müsste passen“, blickt Geismayr auf das um 10 Uhr beginnende Rennen. Eigentlich.
Ein gewisses Grundniveau ist erreicht
Denn nicht zuletzt in dieser Saison gab es auch den einen oder anderen Rückschlag. Den ersten großen Höhepunkt, die Cape Epic in Südafrika, musste Geismayr abbrechen, weil sich Teamkollege Käß bei einem Sturz schwer verletzte. Wenig später ging Geismayr selbst bei einem Straßenrennen über den Lenker, beim Aufprall auf der Straße brach er sich das Kahnbein in der Hand. Zwangspause. Der Durst auf Erfolge wurde deshalb nicht kleiner.
Schnell war Geismayr wieder da. Er profitierte auch davon, dass er sich über die zurückliegenden Jahre immer weiter gesteigert und ein gewissen Grundniveau erreicht hatte, mit dem er normalerweise immer mit der Weltspitze mithalten kann. Dass die Erfolge trotzdem keine Selbstläufer sind, weiß Geismayr aus langjähriger Erfahrung: „Du brauchst einen guten Tag und ein bisschen Glück. Wenn du ganz vorne landen willst, muss alles passen.“Und das Material darf auch nicht streiken. Für Sonntag habe er sich einen Plan zurechtgelegt, sagt der Österreicher – den er natürlich nicht verraten will. Und ein Ziel habe er auch. Aber: „Ich setze mich nicht unter Druck.“Etwas defensiver, als er es eigentlich sein müsste, sagt er: „Eine Medaille ist mein Ziel, mindestens unter die Top fünf.“Auch Dämpfle nimmt das Wort Weltmeistertitel
„Du brauchst einen guten Tag und ein bisschen Glück.“
nicht in den Mund, signalisiert aber deutlich, wie seine Erwartungshaltung ist. Geismayr habe viele Ausrufezeichen gesetzt, oft seine wahre Klasse gezeigt.
Zudem versucht das Team Centurion Vaude, die Vorbereitung so optimal wie möglich zu gestalten. Dazu gehört, dass Dämpfle einen „WM-Tourismus“verhindert hat, der entstünde, wenn 25 Leute um Geismayr herumschwirren und alle was von ihm wollen. Nur zwei Mitarbeiter sind deshalb aktuell in Grächen dabei – ein Physiotherapeut und ein Mechaniker. Alle anderen werden erst sehr spät dazustoßen. Dämpfle selbst will sogar erst am Sonntag direkt zum Rennen anreisen. „Unser voller Fokus liegt jetzt auf dieser WM“, sagt er. Und auf Geismayr. Zwar starten auch Vinzent Dohrn, Philip Handl und Stefanie Dohrn – allesamt Daniel Geismayr über seine Chancen auf den WM-Titel sogenannte YoungGuns bei Centurion Vaude – bei der WM; doch die größten Siegchancen hat sicherlich der 30-Jährige. Die letzte Visitenkarte gab er vor knapp zwei Wochen bei einem Rennen in den Dolomiten ab, als er mit dem Red-BullTeam auf Platz zwei fuhr und die schnellste Mountainbikezeit ablieferte. Und das, obwohl er noch gar nicht bei 100 Prozent war. „Ihm haben Frische und Feinschliff gefehlt“, sagt Dämpfle. Beides habe Daniel Geismayr sich in den letzten Tagen geholt, um am Sonntag eine Punktlandung zu schaffen. Und mit dem WM-Titel endgültig zu rechtfertigen, dass sein Teammanager seine Leistungen und seine Form als überragend bezeichnet.
Ebenfalls bei der MTB-MarathonWM in der Schweiz an den Start gehen wird der Franzose Hugo Zeller, der als Gastfahrer für das Team RSV Seerose Friedrichshafen unterwegs ist.