Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Steigerung von überlegen
Bayern meldet mit hochverdientem Sieg zurück – Chancenwucher gegen Belgrad
MÜNCHEN - Feldüberlegenheit ist keine Eigenschaft, die Spieler des FC Bayern München irgendwie überraschen könnte; in den letzten zehn Jahren dürfte man die Partien, in denen der Rekordmeister seltener am Ball war als sein Gegner, an zwei Händen abzählen können. Gegen Roter Stern Belgrad waren die Bayern beim letztlich deutlichen 3:0-Auftaktsieg ihrer Champions-LeagueKampagne aber nicht nur überlegen. Ihre Feldüberlegenheit mutete geradezu absurd an. 81 Prozent Ballbesitz hatten die Münchner in der ersten Halbzeit, 73 Prozent am Schluss. Dazu kamen 32 Torschüsse, schier unglaubliche 765 Pässe bei einer Passgenauigkeit von 89 Prozent – und doch taten sie sich beim 3:0 (1:0) sehr lange recht schwer. Zumindest mit dem Toreschießen.
Das sah auch Trainer Nico Kovac so: „Wir können sehr zufrieden sein. Wir haben drei Tore geschossen, das ist standesgemäß. Wir hätten noch mehr Tore machen können, vielleicht fehlte die letzte Konsequenz“, sagte Kovac. Ähnlich sah es Stürmer Robert Lewandowski: „Wir haben zu wenige Tore geschossen und manchmal die falschen Entscheidungen getroffen. Aber auch solche Spiele sind brauchbar.“
Neue Dimension wegen Coutinho
Dabei spielten die Bayern von Beginn an munter drauflos. Mit einem schnellen Kurz- und Doppelpassspiel versuchten sie, die eng stehenden Belgrader aus der Deckung zu locken, um Lücken zu schaffen. Zeitweise schienen sie aber den Ball ins Tor tragen zu wollen. Dabei waren sie am gefährlichsten, wenn sie es aus der Distanz versuchten.
Philippe Coutinho etwa deutete zum ersten Mal an in München, wieso der FC Barcelona ihn einst zum zweitteuersten Spieler der Welt machte. Der Spielmacher, schlug Pässe aus dem Fußgelenk, gleichzeitig so präzise, fest und doch butterweich, dass andere sich allein beim Versuch den Knöchel ausrenken würden. Er war agil, trickreich, torgefährlich. Und doch wirkte es auch so, als ob er an einem anderen Spiel teilnehmen würde als seine Mitspieler. Es schien manchmal, als ob er zu gut, zu kreativ wäre für seine Spieler, ein Außerirdischer unter keinesfalls untalentierten Menschen. „Er hat ein richtig gutes Spiel gemacht. Mit seiner Fußballintelligenz bringt er schon eine andere Dimension“, sagte Kovac über Coutinho. Als der Brasilianer fünf Minuten vor der Pause mit einem ansatzlosen Absatztreffer zum 2:0 einschoss und vermeintlich alles klarmachte, wurde er aber – zurecht – wegen einer hauchdünnen Abseitsstellung zurückgepfiffen. Das 1:0 hatte in der 34. Minute Kingsley Coman mit einem Flugkopfball nach einer scharfen Hereingabe von Flügelkollegen Ivan Rakitic erzielt.
Das Tor entstand aus der unterhaltsamsten Minute der ersten Halbzeit: Erst war Perisic aus kürzester Distanz gescheitert, dann hatte Bayerns Torwart Manuel Neuer im Gegenzug einen Konter durch einen Ausflug ins Mittelfeld unterbunden, woraufhin Perisic mit einer Köpertäuschung seinen Gegenspieler austrickste, in die Mitte flankte und Coman fand.
Doch weil die Münchner auch nach dem zurückgepfiffenen Treffers Coutinhos weiter ihre Tormöglichkeiten liegen ließen, als ob sie Solidarität mit den tags zuvor, freilich gegen den FC Barcelona, ähnlich chancenreichen Dortmundern zeigen wollten, wurde es in der Allianz Arena doch irgendwann ein wenig hektisch. Vor allem auf den Rängen.
Hatten die Belgrader Fans schon zu Beginn die akustische Hoheit, bekamen die Münchner Anhänger in der Südkurve nun im Verlauf der zweiten Halbzeit kaum mehr als „Oooh“heraus – bis sie Lewandowski dann mit einer feinen Einzelleistung zehn Minuten vor Schluss doch noch mit seinem mit der Schuhspitze eingespitzelten Treffer zum 2:0 erlöste. Und mit den Fans auch seine Mannschaft.
Denn Roter Stern Belgrad – Landespokalsieger 1991, aber erst in den letzten Jahren wieder ein wenig auf dem Vormarsch – hatte zwar kaum Ballbesitz und zeigte kaum ernsthafte Ambitionen, kam aber dennoch zu durchaus gefährlichen Chancen.
Nach dem 2:0 war der Kas ´bissen: der für Coutinho eingewechselte Thomas Müller (mit nun 106 Einsätzen Bayerns alleiniger Königsklassen-Rekordspieler) verwertete einen Freistoßheber Thiagos aus zentraler Position in der ersten Minute der Nachspielzeit zum – immer noch fast zu niedrigen – 3:0.
Bayern München – Roter Stern Belgrad 3:0 (1:0). – Tore: 1:0 Coman (34.), 2:0 Lewandowski (80.), 3:0 Müller (90.+1). – Zuschauer: 70 000 (ausverkauft)