Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Realpolitiker
Fast zehn Jahre lang war der Schwabe Cem Özdemir Chef der Grünen – keiner stand länger an der Parteispitze. Der Sohn türkischer Gastarbeiter erzählt gern von seinem Aufwachsen zwischen zwei Kulturen im baden-württembergischen Bad Urach, seiner teils holprigen Schullaufbahn und von seiner Ausbildung als Erzieher, auf die ein Sozialpädagogik-Studium folgte. Integration ist neben der Wirtschaftspolitik eines der wichtigsten Themen des Realpolitikers, auch mit Kritik an der türkischen Regierung macht er immer wieder Schlagzeilen. Bei den Grünen ist der 53-Jährige seit 1981. Er zog 1994 als erster Abgeordneter türkischer Herkunft in den Bundestag ein. Von 2004 bis 2009 war Özdemir Abgeordneter des EU-Parlaments. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Der begeisterte Fan des FußballZweitligisten VfB Stuttgart zählte nach der Bundestagswahl 2017 und dem Platzen der Gespräche über eine schwarz-gelbgrüne Jamaika-Koalition zu den Verlierern: Statt Bundesminister zu werden, übernahm er den Vorsitz des Verkehrsausschusses im Bundestag. (dpa)
Die Abstimmung der Fraktion am Dienstag wird spannend. Keiner in der Fraktion wagt eine Prognose. Die Unterstützer Özdemirs hoffen auf seine Durchschlagskraft. Seine Kritiker meinen, das Langzeit-Hoch der Partei könne auch mit der internen Friedfertigkeit des Spitzenquartetts zu tun haben: Göring-Eckardt und Hofreiter überlassen Habeck und Baerbock bislang klaglos die Show. Özdemir müsste sich dazu schon zwingen.