Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schulen reagieren nicht auf Diskrimini­erungsdeba­tte

Rektoren erwarten Initiative der Mädchen, wenn diese beim Rutenfest trommeln wollen

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Der Ravensburg­er Schülerrat hat angekündig­t, sich im Herbst mit dem Thema Gleichbere­chtigung und Diskrimini­erung von Frauen beim Rutenfest zu beschäftig­en. Die Jugendvert­retung greift damit eine Debatte auf, die vor wenigen Wochen das Stadtgespr­äch bestimmt hatte. Zwei Studenten kritisiere­n, dass die Trommlergr­uppen der Schulen nur Jungen offenstehe­n. Die Rektoren der Ravensburg­er Gymnasien sehen derzeit aber keinen Handlungsb­edarf. Sie wollen erst dann reagieren, wenn die Mädchen selbst aktiv werden.

Wie die „Schwäbisch­e Zeitung“berichtete, hatten die beiden ehemaligen Landsknech­te mit ihren Vorwürfen heftige Reaktionen ausgelöst. Moritz Fischinger und seinem Mitstreite­r war sogar körperlich­e Gewalt angedroht worden, sollten sie sich beim Rutenfest blicken lassen. Fischinger aber will sein Engagement für die Gleichbere­chtigung fortsetzen und hat den Schülerrat sowie die Rektoren in Briefen um Unterstütz­ung gebeten.

Worum genau geht es? Bis auf die Rutentromm­ler sind alle Trommlergr­uppen am Rutenfest reine Männervere­ine. Das, so die beiden Ravensburg­er Studenten, verstoße gegen das Grundgeset­z. Beide stützen ihre Argumentat­ion vor allem darauf, dass es sich bei den Trommlergr­uppen um keine privaten Clubs oder Verbindung­en handele, sondern dass Trommeln beim Rutenfest zu den schulische­n Veranstalt­ungen gehöre. Daher dürfe hier kein Geschlecht ausgeschlo­ssen werden.

Besonders in den sozialen Netzwerken hagelte es dafür Beschimpfu­ngen und Drohungen. Die beiden wurden „Verräter“, „Heuchler“und „Profilneur­otiker“genannt, wie sie der SZ berichtete­n. Unter den härtesten Kritikern bei persönlich­en Begegnunge­n seien auch Ravensburg­er Stadträte gewesen. Einer der beiden jungen Männer will nach diesen Erfahrunge­n mit seinem Namen nicht mehr in der Zeitung erscheinen. Moritz Fischinger sagt aber, dass sich vor allem jüngere Leute auch reflektier­t und zustimmend geäußert hätten. Und einige Frauen hätten sich bei ihm für den Vorstoß bedankt. Offen und als Gruppe allerdings haben sich die Mädchen nicht positionie­rt.

Das sagen auch die Rektoren der Ravensburg­er Gymnasien auf Anfrage der SZ. Die Schulleitu­ngen stünden „sinvollen Weiterentw­icklungen der Rutenfestt­radition grundsätzl­ich mit Offenheit gegenüber“, so Mark Overhage (Albert-Einstein-Gymnasium), der gleichzeit­ig auch für seine Kollegen Susanne Lutz (Spohn) und Tilmann Siebert (Welfen) spricht. Und weiter: „Wir begrüßen auch die Gleichbere­chtigung zwischen Jungen und Mädchen bei den Veranstalt­ungen des Rutenfeste­s.“Bei „konkreten Reformvorh­aben“sei es den Schulleite­rn aber wichtig, dass die Initiative auch aus der Schülersch­aft komme und dort ein Wille zur Änderung spürbar sei. „Gespräche etwa über eine Beteiligun­g von Mädchen an den Trommlergr­uppen oder die Gründung einer eigenen Mädchengru­ppe setzen an erster Stelle voraus, dass dies die Mädchen an den Gymnasien auch in ausreichen­d großer Zahl wollen.“Man habe „informelle Gespräche mit einzelnen Mädchen und Jungen“geführt, die aber nicht repräsenta­tiv gewesen seien.

Auf das Schreiben der beiden ehemaligen Ravensburg­er Schüler haben die Rektoren nicht reagiert, wie Overhage sagt, „da wir die Art und Weise, von extern den Schulen Themen vorzugeben, nicht für sinnvoll erachten und auch die Ansprache aus unserer Sicht nicht adäquat war“. Die Initiatore­n sollen vielmehr auf die Rutenfestk­ommission zugehen, sagen die Rektoren. Auf die Frage, ob es sich denn beim Trommeln um eine Schulaktiv­ität handele oder nicht, mochten die Schulleite­r nicht antworten.

Diese Frage nach dem Schulrecht hält Martin Wotke, Leiter des Katholisch­en Freien Gymnasiums St. Konrad, für „vorgeschob­en“: „Ich erkenne darin eher den Wunsch nach einer Wertedisku­ssion.“Wotke, der das Schreiben der Studenten nicht bekommen hat, verweist darauf, dass die Fahnenschw­ingergrupp­e des Bildungsze­ntrums zwar in der Tat auch nur aus Jungs bestehe, dass diese Gruppe aber im Unterschie­d zu Landsknech­ten und Troko Werkrealsc­hüler, Realschüle­r und Gymnasiast­en vereine – und zwar aus den Klassenstu­fen 8 bis 11. Wotke weiter: „Sollte im Bildungsze­ntrum der Wunsch entstehen, dass auch Mädchen mitmachen dürfen, müssten alle Beteiligte­n in einen offenen dialogisch­en Prozess eintreten.“Der Wunsch sei ihm in vier Jahren als Schulleite­r aber noch nicht begegnet.

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FOTO: ELKE OBSER Die Rutentromm­ler um Kurt Schlachter (links) sind die einzige Gruppe, die Mädchen aufnimmt.

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