Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Schulen reagieren nicht auf Diskriminierungsdebatte
Rektoren erwarten Initiative der Mädchen, wenn diese beim Rutenfest trommeln wollen
RAVENSBURG - Der Ravensburger Schülerrat hat angekündigt, sich im Herbst mit dem Thema Gleichberechtigung und Diskriminierung von Frauen beim Rutenfest zu beschäftigen. Die Jugendvertretung greift damit eine Debatte auf, die vor wenigen Wochen das Stadtgespräch bestimmt hatte. Zwei Studenten kritisieren, dass die Trommlergruppen der Schulen nur Jungen offenstehen. Die Rektoren der Ravensburger Gymnasien sehen derzeit aber keinen Handlungsbedarf. Sie wollen erst dann reagieren, wenn die Mädchen selbst aktiv werden.
Wie die „Schwäbische Zeitung“berichtete, hatten die beiden ehemaligen Landsknechte mit ihren Vorwürfen heftige Reaktionen ausgelöst. Moritz Fischinger und seinem Mitstreiter war sogar körperliche Gewalt angedroht worden, sollten sie sich beim Rutenfest blicken lassen. Fischinger aber will sein Engagement für die Gleichberechtigung fortsetzen und hat den Schülerrat sowie die Rektoren in Briefen um Unterstützung gebeten.
Worum genau geht es? Bis auf die Rutentrommler sind alle Trommlergruppen am Rutenfest reine Männervereine. Das, so die beiden Ravensburger Studenten, verstoße gegen das Grundgesetz. Beide stützen ihre Argumentation vor allem darauf, dass es sich bei den Trommlergruppen um keine privaten Clubs oder Verbindungen handele, sondern dass Trommeln beim Rutenfest zu den schulischen Veranstaltungen gehöre. Daher dürfe hier kein Geschlecht ausgeschlossen werden.
Besonders in den sozialen Netzwerken hagelte es dafür Beschimpfungen und Drohungen. Die beiden wurden „Verräter“, „Heuchler“und „Profilneurotiker“genannt, wie sie der SZ berichteten. Unter den härtesten Kritikern bei persönlichen Begegnungen seien auch Ravensburger Stadträte gewesen. Einer der beiden jungen Männer will nach diesen Erfahrungen mit seinem Namen nicht mehr in der Zeitung erscheinen. Moritz Fischinger sagt aber, dass sich vor allem jüngere Leute auch reflektiert und zustimmend geäußert hätten. Und einige Frauen hätten sich bei ihm für den Vorstoß bedankt. Offen und als Gruppe allerdings haben sich die Mädchen nicht positioniert.
Das sagen auch die Rektoren der Ravensburger Gymnasien auf Anfrage der SZ. Die Schulleitungen stünden „sinvollen Weiterentwicklungen der Rutenfesttradition grundsätzlich mit Offenheit gegenüber“, so Mark Overhage (Albert-Einstein-Gymnasium), der gleichzeitig auch für seine Kollegen Susanne Lutz (Spohn) und Tilmann Siebert (Welfen) spricht. Und weiter: „Wir begrüßen auch die Gleichberechtigung zwischen Jungen und Mädchen bei den Veranstaltungen des Rutenfestes.“Bei „konkreten Reformvorhaben“sei es den Schulleitern aber wichtig, dass die Initiative auch aus der Schülerschaft komme und dort ein Wille zur Änderung spürbar sei. „Gespräche etwa über eine Beteiligung von Mädchen an den Trommlergruppen oder die Gründung einer eigenen Mädchengruppe setzen an erster Stelle voraus, dass dies die Mädchen an den Gymnasien auch in ausreichend großer Zahl wollen.“Man habe „informelle Gespräche mit einzelnen Mädchen und Jungen“geführt, die aber nicht repräsentativ gewesen seien.
Auf das Schreiben der beiden ehemaligen Ravensburger Schüler haben die Rektoren nicht reagiert, wie Overhage sagt, „da wir die Art und Weise, von extern den Schulen Themen vorzugeben, nicht für sinnvoll erachten und auch die Ansprache aus unserer Sicht nicht adäquat war“. Die Initiatoren sollen vielmehr auf die Rutenfestkommission zugehen, sagen die Rektoren. Auf die Frage, ob es sich denn beim Trommeln um eine Schulaktivität handele oder nicht, mochten die Schulleiter nicht antworten.
Diese Frage nach dem Schulrecht hält Martin Wotke, Leiter des Katholischen Freien Gymnasiums St. Konrad, für „vorgeschoben“: „Ich erkenne darin eher den Wunsch nach einer Wertediskussion.“Wotke, der das Schreiben der Studenten nicht bekommen hat, verweist darauf, dass die Fahnenschwingergruppe des Bildungszentrums zwar in der Tat auch nur aus Jungs bestehe, dass diese Gruppe aber im Unterschied zu Landsknechten und Troko Werkrealschüler, Realschüler und Gymnasiasten vereine – und zwar aus den Klassenstufen 8 bis 11. Wotke weiter: „Sollte im Bildungszentrum der Wunsch entstehen, dass auch Mädchen mitmachen dürfen, müssten alle Beteiligten in einen offenen dialogischen Prozess eintreten.“Der Wunsch sei ihm in vier Jahren als Schulleiter aber noch nicht begegnet.