Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
„Dieses Klimapaket ist ein Schlag ins Gesicht“
Rund 2000 Menschen demonstrieren in Friedrichshafen – Klare Forderungen nach mehr Umweltschutz
FRIEDRICHSHAFEN – Rund 2000 Menschen haben am Freitag in Friedrichshafen für mehr Klimaschutz demonstriert. Angemeldet war die Demonstration mit 750 Teilnehmern, es wurden mehr als doppelt so viele. „Heute ist der klimapolitische Tag, es ist extrem wichtig, ein Zeichen zu setzen“, sagte Karlo Roller vor Beginn der Demonstration. Der 19-Jährige ist Pressesprecher der Friedrichshafener Ortsgruppe des „Fridays for Future“-Bündnisses und hat die Demo zusammen mit 15 weiteren Jugendlichen organisiert.
Auf ihrem Weg durch die Stadt machten die Demonstranten ordentlich Lärm: für eine CO-Steuer, für das Abschalten der Kohlekraftwerke und für eine konsequentere Klimapolitik. Angeführt von Sander Frank schrien sich Kinder, Eltern und Rentner die Stimmen heißer. Auffällig war der hohe Anteil an Erwachsenen jenseits der 30, der das Demo-Bild prägte. Die Aufrufe der Gewerkschaften und die Bereitschaft einiger Unternehmen, ihren Mitarbeitern die Teilnahme zu ermöglichen, scheinen Wirkung gezeigt zu haben. Auch viele Rentner beteiligten sich an der Demonstration. „Damit Christian eine Zukunft hat“, stand auf dem Plakat einer Seniorin neben einem Kinderfoto.
Zahlreiche Gruppen aus Friedrichshafen, Ravensburg, Tettnang und Überlingen versammelten sich hinter dem Schüler-Bündnis und solidarisierten sich mit den Forderungen der Bewegung. Mit dabei waren unter anderem Vertreter von Greenpeace und Mitarbeiter des Outdoorausstatters Vaude. Bei der anschließenden Kundgebung wiederholten die „Fridays for Future“-Aktivisten ihre Forderungen, bis 2030 alle Kohlekraftwerke abzuschaffen und auf 100 Prozent erneuerbare Energien umzusteigen. „Niemand bestreitet, dass es schwer ist, diese Ziele zu erreichen. Aber es ist verdammt nochmal die Aufgabe der Politik, schwierige Aufgaben zu lösen“, sagte Aktivist Karlo Roller. Sander Frank kritisierte derweil, dass einige Parteien, trotz Verbot, eigene Flaggen dabei hatten und betonte die parteipolitische Neutralität der Veranstaltung.
Während der Kundgebung sickerten erste Informationen zu den Beschlüssen des Klimakabinetts aus Berlin durch. Das Gerücht, man habe sich auf eine CO-Besteuerung von 26 Euro pro Tonne geeinigt, löste bei den Demonstranten Wut und Bestürzung aus. „Dieses Klimapaket ist ein Schlag ins Gesicht aller Demonstrierenden. Das Umweltbundesamt empfiehlt 180 Euro, das ist eine Unverschämtheit“, empörte sich Sander Frank. Auch Jan Lorch, Chief Sustainability Officer bei Vaude, war sauer: „Wenn ich jetzt höre, 26 Euro pro Tonne muss ich sagen: Wählt diese Leute ab, sobald ihr könnt“, machte Lorch seinem Ärger Luft.
Kurz nach Ende der Demo wurde die korrekte Entscheidung aus Berlin bekannt: Die CO 2-Steuer kommt 2021, mit einem Einstiegsniveau von 10 Euro pro Tonne. Entmutigen ließen sich die Aktivisten trotzdem nicht. „Diese Nachrichten haben die Stimmung und die Entschlossenheit eher noch beflügelt“, sagte die 16Jährige Anouk Hennicke, die sich zusammen mit Karlo Roller um die Pressearbeit der Ortsgruppe kümmert. Auch andere Schüler zeigten sich entschlossen und konnten die Aufregung um ein paar verpasste Stunden Unterricht nicht verstehen: „Wir sehen das nicht als Schwänzen, sondern als das Einstehen für etwas Wichtigeres. Wir sind auch hier, weil wir speziell den Politikern in Friedrichshafen zeigen wollen, dass wir es ernst meinen“, erklärten die Schülerinnen Janine und Chiara ihre Motivation. „Wir sind begeistert von dem, was heute hier in Friedrichshafen passiert ist, aber wir sind sehr enttäuscht von dem, was wir bisher aus Berlin gehört haben“, sagte Karlo Roller nach Ende der Veranstaltung. Weil Klimapolitik auch ganz entscheidend im Lokalen gestaltet werde, arbeitet die Ortsgruppe Friedrichshafen gerade an konkreten Forderungen an die Stadt. „Wir wollen, dass sich Friedrichshafen endlich konsequent zum Umweltschutz bekennt und dafür brauchen wir lokale Ziele“, erklärte der 19-Jährige.