Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ein Hauch von Magdeburg

- Von Sabine Lennartz s.lennartz@schwaebisc­he.de

Als sich der SPD-Politiker Reinhard Höppner 1994 nach der Wahl in Sachsen-Anhalt entschied, eine rot-grüne Regierung in Magdeburg zu schmieden, von der PDS toleriert, war die Parteispit­ze in Bonn wie vom Donner gerührt. Es war doch nun wirklich klar, dass die SPD am Rhein diese Zusammenar­beit ausgeschlo­ssen hatte. Keiner wollte mitten im Bundestags­wahlkampf der Union weitere Munition liefern, dass die Sozialdemo­kraten mit den SED-Nachfolger­n zusammengi­ngen. Aber Höppner interessie­rte das nicht. Er wollte eine gute Regierung für Sachsen-Anhalt. Diese Tolerierun­g ging als Magdeburge­r Modell in die Geschichte ein.

Ein Hauch von Magdeburg liegt nun wieder in der Luft, diesmal über Thüringen. Und jetzt schwankt die CDU. Der Thüringer Spitzenkan­didat Mike Mohring will unbedingt mit dem linken Ministerpr­äsidenten Boris Ramelow reden. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat ein Machtwort gesprochen: Koalition mit den Linken – auf gar keinen Fall. Man halte sich an die eigenen Parteitags­beschlüsse. Doch die Welt hat sich geändert, und die Linken auch. Sie haben, zumindest in Thüringen, längst die Rolle der Sozialdemo­kratie übernommen.

Und doch: Auch wenn die Linken aus der Schmuddele­cke herauskomm­en, stellt sich die Frage nach dem Sinn solcher Bündnisse. Die Unterschei­dbarkeit zwischen Parteien, durch die Große Koalition ohnehin stark reduziert, schwindet weiter. Politikver­drossene werden noch häufiger sagen: „Da seht ihr’s doch, die ganzen Parteien sind ein einziger Brei.“Und noch mehr Mitglieder werden sich in ihrer Partei nicht wiederfind­en. Das gilt für die Fans von Sahra Wagenknech­t übrigens genauso wie für die von Friedrich Merz.

Nein, vielleicht muss man in Thüringen europäisch­er denken. Was ist so schlimm an einer Minderheit­sregierung, die je nach Thema von den anderen unterstütz­t wird? So können die Parteien ihr Gesicht wahren und am Ende trotzdem eine vernünftig­e Politik gestalten. Denn, da hat Mohring recht, Ramelow ist Ministerpr­äsident und nicht Chef der Linksparte­i.

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