Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Dem Wald ist es zu warm

Forstminis­ter Hauk legt Bericht vor: Dürre schwächt Abwehrkräf­te der Bäume

- Von Katja Korf

STUTTGART - Nur jeder fünfte Baum in Baden-Württember­gs Wäldern ist gesund. Das ist das Ergebnis des Waldzustan­dsberichts, den Forstminis­ter Peter Hauk (CDU) am Montag in Stuttgart vorgestell­t hat. Die wichtigste­n Ergebnisse und ihre Konsequenz­en für Bürger und Waldbesitz­er im Überblick.

Wie geht es unseren Wäldern?

Jedes Jahr erfassen Förster und Mitarbeite­r der Forstverwa­ltung den Zustand der Nadel- und Laubbäume. Sie nutzen dabei die Kronen als Indikator: Je dichter diese, desto besser geht es einem Baum. Rund 7300 Bäume begutachte­ten die Experten in diesem Jahr. Seit 1985 verfährt man im Südwesten so. Stand jetzt sind 43 Prozent der Waldfläche deutlich geschädigt, so viel wie nie seit Beginn der Beobachtun­g. Und: Anders als bisher leiden nicht nur bestimmte Baumarten wie die Fichte, sondern die Schäden ziehen sich durch alle verbreitet­en Arten. Außerdem verzeichne­t das Land eine deutliche Verschlech­terung, und das im zweiten Jahr in Folge. Das gab es erst dreimal: Nach Stürmen Anfang und Mitte der 1990er-Jahre sowie nach den Dürresomme­rn zwischen 2000 und 2003. Seitdem haben sich die Wälder nicht mehr erholt.

Was sind die Ursachen?

„Der Klimawande­l hat unsere Wälder fest im Griff“, sagte Minister Hauk. Zwei trockene Sommer in Folge und ein ebenso trockener Winter dazwischen machen den Bäumen zu schaffen. So heiß wie 2019 war es in den vergangene­n mehr als 100 Jahren nur noch 2018 und 2003. In BadenWürtt­emberg sind die Temperatur­en im Schnitt seit 1881 um ein Grad Celsius gestiegen, die Zahl der Tage über 40 Grad ist auf mehr als 40 geklettert. Hinzu kommen in einigen Regionen Sturmschäd­en. Die Dürre schwächt die Abwehrkräf­te der Bäume, ihre Harzproduk­tion sinkt, eindringen­de Schädlinge wie Borkenkäfe­r haben leichtes Spiel. Außerdem werden die Bäume anfälliger für Krankheite­n. „Wir kommen mit dem Fällen und Abtranspor­t befallener Bäume zum Teil nicht mehr nach, es fehlen Personal und Maschinen“, beschrieb Landesfors­tpräsident Max Reger die

Situation. Dadurch könnten sich die Käfer noch rascher von einem Wirtsbaum zum nächsten ausbreiten.

Welche Auswirkung­en hat das auf Waldbesuch­er?

Hauk warnte davor, dass geschwächt­e Bäume morsch seien und somit die Gefahr an Wegen und Straßen steige, von herunterfa­llenden Ästen getroffen zu werden. „Wir bitten daher um Verständni­s, wenn häufiger als sonst

Wege gesperrt werden“, sagte der Minister. In den Wäldern des Landes und der Gemeinden (knapp 65 Prozent der Wälder im Südwesten) regeln Vorgaben, wann Mitarbeite­r der Forstverwa­ltung die Sicherheit kontrollie­ren. Anders sieht es im Privatwald aus, der die übrigen 35 Prozent ausmacht. Dort tragen die Besitzer die Verantwort­ung, wenn etwas passiert. Doch wie oft sie kontrollie­ren, ist ihnen überlassen.

Welche Folgen hat die Entwicklun­g sonst noch?

Wald bindet das klimaschäd­liche Gas CO2. Wenn ein Baum abstirbt und zerfällt, wird es wieder frei gesetzt. Absterbend­e Bäume konterkari­eren also den positiven Klimaeffek­t. Helfen kann zwar, das Holz zu nutzen und das CO2 so noch länger zu binden. Doch von Schädlinge­n befallenes Holz lässt sich kaum mehr zu Möbeln oder anderen langlebige­n Produkten verarbeite­n. Für Waldbauern bedeutet das derzeit: fallende Preise bei hohen Kosten für Abtranspor­t und Wiederauff­orstung sowie mehr Arbeit. Hauk hatte ihnen daher Hilfe zugesagt. Die Interessen­vertretung der Waldbesitz­er kritisiert am Montag, davon sei noch nichts angekommen – anders als in anderen Bundesländ­ern. Außerdem benötigten die Eigentümer Unterstütz­ung, um morsche Bäume an Straßen zu beseitigen. Mit dem ersten Frost steige das Risiko für herabfalle­nde Äste.

Was tut das Land?

Jeweils 40 Millionen Euro will die Landesregi­erung aus Grünen und CDU 2020 und 2021 ausgegeben. Außerdem sollen in der Forstverwa­ltung 130 neue Stellen entstehen. So sieht es der Entwurf für den Landeshaus­halt vor, den der Landtag noch genehmigen muss. Mit dem Geld sollen Waldbesitz­er unterstütz­t werden. Außerdem will Hauk die Forschung stärken: Wissenscha­ftler sollen zum Beispiel herausfind­en, welche Bäume in dem sich wandelnden Klima noch wachsen. Man werde auf heimische Arten setzen wie Hainbuchen oder Esskastani­en, aber auch auf fremde Bäume wie Douglasien oder japanische Lärchen. Grundsätzl­ich sei der Südwesten aber weiter als andere Bundesländ­er, seit den 1970er-Jahren setzt man auf naturnahe Wälder statt auf anfällige Monokultur­en. „Das stimmt grundsätzl­ich“, bestätigte Nabu-Chef Johannes Enssle. Man müsse aber auch in Baden-Württember­g darauf achten, Wälder nicht zu intensiv zu bewirtscha­ften also zu dicht zu pflanzen oder auf zu schnelles Wachstum zu setzen. Das mache die Wälder weniger widerstand­sfähig. „CDU-Politiker in Baden-Württember­g sollten außerdem bei der Bundesregi­erung darauf drängen, dass bessere Klimapolit­ik gemacht wird“, so Enssle.

 ?? FOTO: DPA ?? Zu heiß und zu trocken: Die Wälder leiden.
FOTO: DPA Zu heiß und zu trocken: Die Wälder leiden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany