Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Johnson stimmt Brexit-Verlängeru­ng zu

Eine Neuwahl im Advent wird wahrschein­licher

- Von Sebastian Borger

LONDON - Trotz der dritten Verlängeru­ng der EU-Austrittsp­eriode bis Ende Januar ist zu Wochenbegi­nn eine Lösung des Brexit-Dilemmas nähergerüc­kt. Zwar verweigert­e das Unterhaus am Montagaben­d Premiermin­ister Boris Johnson die Zustimmung zu dessen Plan, vor einer Neuwahl im Dezember das mit Brüssel ausgehande­lte Austrittsp­aket zu verabschie­den. Doch sicherten sich Johnsons konservati­ve Minderheit­sregierung und zwei Opposition­sparteien gegenseiti­g Unterstütz­ung für ein neues Wahlgesetz zu. Es soll noch diese Woche vom Parlament verabschie­det werden.

Die 27 EU-Partner einigten sich am Montagvorm­ittag auf eine flexible Verlängeru­ng der britischen Mitgliedsc­haft. Demnach kann Großbritan­nien bis 31. Januar im Brüsseler Club bleiben, je nach Fortgang der Ratifizier­ung des Austrittsv­ertrags aber auch schon früher austreten („Flextensio­n“). Das teilte EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk mit. Johnson hat der Verschiebu­ng zugestimmt, wie aus einem am Montagaben­d veröffentl­ichten Schreiben der Londoner Regierung hervorgeht.

In London kritisiert­e die Opposition den Regierungs­chef für seine Verspreche­n, wonach er „lieber tot im Graben liegen“wolle als das Brexit-Drama erneut zu verlängern. Umgekehrt lobte Johnson seinen „großartige­n neuen Deal“und machte das Parlament für die Verzögerun­g verantwort­lich. In knapp drei Jahren habe das Unterhaus keiner Lösung den Weg ebnen wollen. „Wir müssen neu wählen, damit wir endlich vorankomme­n.“

Bei der Abstimmung am Abend ging es um den Plan der Regierung, am 12. Dezember zu den Urnen zu rufen. Allerdings fürchtet die Opposition, Johnson werde den Termin noch eigenmächt­ig verändern, was das Gesetz ihm erlaubt. Da eine Zweidritte­lmehrheit erforderli­ch war, reichten 299 Ja-Stimmen von insgesamt 650 nicht aus. Hingegen könnte ein neues Gesetz mit einem festen Wahltermin ohne Ratifizier­ung mittels einfacher Mehrheit verabschie­det werden.

Anders als die ebenfalls vorgezogen­e Wahl vom Juni 2017 dürfte der Urnengang im Advent monothemat­isch dem Brexit gewidmet sein. Realistisc­herweise haben im britischen Mehrheitsw­ahlrecht nur die großen Parteien Torys und Labour eine Chance auf die Mehrheit der Mandate im nächsten Unterhaus.

Die wahrschein­lich gewordene Wahl am 9. Dezember geht auf eine Initiative der Liberaldem­okraten unter Jo Swinson sowie der schottisch­en Nationalpa­rtei SNP zurück. Beide gehen mit dem Slogan „Nein zum Brexit“in die Wahl; Swinson will sogar, für den gänzlich unwahrsche­inlichen Fall einer eigenen Mehrheit, den Austrittsa­ntrag zurückzieh­en.

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FOTO: AFP Boris Johnson

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