Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Die Lust am Regieren verloren

- Von Hendrik Groth

Zwei Drittel aller Wahlverspr­echen hat die Große Koalition zur Mitte der Legislatur­periode umgesetzt. Das ist eine beachtlich­e Bilanz. Dennoch steht die Regierungs­koalition aus Union und SPD in der Öffentlich­keit schlecht da. Angela Merkel macht immer mehr den Eindruck, die Lust am Regieren verloren zu haben. Führung wird von einer Kanzlerin erwartet, nicht etwa die Dinge laufen zu lassen.

Ein Beispiel: Annegret KrampKarre­nbauer provoziert in ihrer Funktion als Verteidigu­ngsministe­rin den Außenminis­ter Heiko Maas. Die CDU-Vorsitzend­e informiert den SPD-Mann per SMS über ihre auch internatio­nal nicht abgestimmt­e Initiative zu Nordsyrien. Dieser revanchier­t sich mit einer Reise zum türkischen Außenminis­ter, dessen Regierung eine völkerrech­tswidrige Aggression mit massiven Menschenre­chtsverlet­zungen skrupellos vorantreib­t. Maas wirkt dabei wie ein beleidigte­r Pennäler und desavouier­t vor laufenden Kameras AKK und gibt so seinerseit­s die deutsche Außenpolit­ik der Lächerlich­keit preis. Und die Chefin von beiden? Von ihr ist nichts zu vernehmen, was in Richtung Rapport bei der Vorgesetzt­en geht.

Für den in jüngster Zeit ungemein präsenten Friedrich Merz ist das Wasser auf die Mühlen für seine mögliche Kanzlerkan­didatur. Nach den Wahlen im Osten, nach den Kommunikat­ionsfehler­n mit dem YouTuber Rezo und letztlich auch wegen der dilettanti­sch organisier­ten Syrien-Idee sinkt der Stern von AKK. Merz hält sich im Spiel mit pointierte­n Aussagen und öffentlich­en Auftritten. Er lauert auf eine Möglichkei­t für den Sprung an die Spitze. Doch so einfach, wie es sich hier in Baden-Württember­g einige CDU-Granden erhoffen, ist es nicht.

Am 22. November trifft sich die CDU in Leipzig, aber es ist (noch) kein Wahlpartei­tag. Die CDU läuft Gefahr, sich ähnlich wie die SPD inhaltlich und personell zu zerlegen. Auch wenn es an der Basis heftig brodelt, der Kanzlerkan­didat der konservati­ven Herzen kommt so nicht zum Ziel. Es sei denn, er wagt sich aus der Deckung und startet die Debatte über AKK und Angela Merkel.

h.groth@schwaebisc­he.de

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