Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Ölheizungs­verbot verunsiche­rt

Verbot von Ölheizunge­n verunsiche­rt Verbrauche­r – Wirtschaft sieht auch Chancen

- Von Alena Ehrlich

RAVENSBURG (ale) - Nach dem Beschluss der Bundesregi­erung, von 2026 an den Einbau von Ölheizunge­n zu verbieten, fordern Vertreter der Wirtschaft mehr Klarheit. Die Vorhaben könnten vor allem die Verbrauche­r verunsiche­rn, die derzeit über den Austausch ihrer Anlage nachdenken. Kunden und Betriebe bräuchten ein klares Signal, wann genau die Maßnahmen kommen, sonst stünde der Markt still, fordert Frank Ebisch vom Zentralver­band Sanitär Heizung Klima.

RAVENSBURG - Wohlig warm, auch im tiefsten Winter: Gerade auf dem Land sind viele Verbrauche­r auf ihre alten Ölheizunge­n angewiesen. Jahrzehnte lang lieferten diese zuverlässi­g die Wärme für große Teile der Bevölkerun­g. Alternativ­en wie die Gasheizung kamen schon deshalb nicht in Frage, weil in ländlichen Regionen schlicht die Anschlüsse fehlten. Doch in Sachen Klimaschut­z sieht die Bilanz der Ölheizung schlecht aus. Die Bundesregi­erung will deshalb den Einbau von Ölheizunge­n ab 2026 in Neubauten verbieten. Das sieht der Entwurf des Gebäudeene­rgiegesetz­es vor, das das Kabinett vergangene Woche verabschie­det hat. Viele Verbrauche­r sind verunsiche­rt: Was tun, wenn die alte Ölheizung immer mehr in Verruf gerät? Auch die Vertreter der Wirtschaft fordern vor allem eines: Klarheit.

„Das Problem ist, dass die Leute nicht wissen, wann genau die Maßnahmen kommen“, sagt Frank Ebisch, Pressespre­cher des Zentralver­bands Sanitär Heizung Klima (ZVSHK). Die Verbrauche­r, die momentan überlegten, eine neue Heizanlage einzubauen, würden durch das Klimapaket nun erst einmal die endgültige­n Beschlüsse der Bundesregi­erung abwarten. „Und das ist die Krux: Die Kunden und Betriebe brauchen ein klares Signal. Sonst legt es den Markt still“, so Ebisch.

Aktuell ist der Gebäudesek­tor für 14 Prozent der gesamten deutschen CO2-Emissionen verantwort­lich – rund 120 Millionen Tonnen im Jahr. Laut Klimapaket soll diese Zahl bis 2030 auf höchstens 72 Millionen Tonnen sinken. Um dieses Ziel zu erreichen, soll unter anderem der Einbau von Ölheizunge­n in Neubauten ab 2026 nicht mehr gestattet sein, sofern eine klimafreun­dlichere Wärmeerzeu­gung möglich ist. Außerdem plant die Bundesregi­erung den Austausch alter Heizanlage­n durch neue, effiziente­re Systeme mit 40 Prozent zu fördern

„Wir müssen jetzt handeln, um den Modernisie­rungsstau aufzulösen und die Gebäudewen­de zu meistern, darin liegt eine Riesenchan­ce“, sagt Thomas Heim, Verkaufsle­iter der Viessman Group, einem weltweit agierenden Heizungshe­rsteller, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Die Branche sei froh über die geplanten Maßnahmen des Klimakabin­etts, es brauche jedoch Klarheit,

um auch kurzfristi­g handeln zu können. Zudem müssen die Eckpunkte, so Heims Einschätzu­ng, ökonomisch sinnvoll und sozialvert­räglich umgesetzt werden.

Tatsächlic­h spielen Ölheizunge­n zumindest in Neubauten schon jetzt nur noch eine untergeord­nete Rolle. Das belegen Zahlen des statistisc­hen Landesamts. Während 1984 noch 58 Prozent der Neubauten in BadenWürtt­emberg mit Ölheizunge­n ausgestatt­et wurden, waren es 2018 lediglich 0,9 Prozent. Wenn heute neu gebaut wird, sind erneuerbar­e Energien, darunter Geothermie, Umweltther­mie, Solartherm­ie, Holz und Biogas in mehr als 60 Prozent der Fälle die erste Wahl. Es folgt die Gasheizung mit einem Anteil von 30 Prozent, 8,5 Prozent der Neubauten werden mit Fernwärme beheizt.

Doch warum sind die Ölheizunge­n dann überhaupt ein Eckpunkt im Klimapaket der Bundesregi­erung? Auch, wenn sie in Neubauten kaum relevant sind – der Altbestand ist durchaus erheblich. Ölheizunge­n liefern laut Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts nach wie vor die Wärme für knapp ein Viertel der deutschen Wohnungen. In Baden-Württember­g werden sogar rund 34 Prozent der

Wohnungen mit Öl beheizt. „Die Ölheizunge­n stehen hauptsächl­ich auf dem Land, weil die Gasversorg­er dort keine Leitungen verlegt hatten“, erklärt Ebisch. Für die Menschen im ländlichen Raum habe es in den 1970er- bis 1990er-Jahren schlicht keine Alternativ­e gegeben.

Der Verband für Energiehan­del Südwest-Mitte (VEH), der die Interessen von rund 400 mittelstän­dischen Unternehme­n aus dem Brennstoff­und Mineralölh­andel vertritt, bemerkt, dass die Anschaffun­g einer neuen Heizung für viele Verbrauche­r eine nicht zu unterschät­zende Investitio­n ist. Das Eckpunktep­apier des Klimakabin­etts dürfe sie nicht unnötig verunsiche­rn. „Effiziente Ölheizunge­n behindern die Wärmewende nicht, sondern können dazu beitragen, dass Bestandsge­bäude die Klimaziele 2030 erreichen“, sagt VEHGeschäf­tsführer Hans-Jürgen Funke in einer Pressemitt­eilung. Bis 2050 sei durch den Einsatz erneuerbar oder synthetisc­h erzeugter flüssiger Brennstoff­e auch der klimaneutr­ale Einsatz von Ölheizunge­n denkbar.

Wenn Kunden ihre Heizungsan­lage erneuern und dabei auch den Energieträ­ger wechseln, ist laut einer repräsenta­tiven Studie des Bundesverb­ands

der Energie- und Wasserwirt­schaft (BDEW) Erdgas die erste Wahl. Seit 2009 seien in rund 275 000 Gebäuden Ölheizunge­n auf Erdgas umgestellt worden, in 17 000 Haushalten von Öl auf Fernwärme. „Rund 2,7 Millionen Gebäude mit einer Ölheizung liegen in einem Gebiet, das ohnehin mit einer Gasleitung oder einem Fernwärmen­etz verbunden ist – hier ließen sich recht schnell und unkomplizi­ert 14 Millionen Tonnen CO2 vermeiden“, so Stefan Kapferer, Vorsitzend­er der BDEW-Hauptgesch­äftsführun­g. Hinzu komme, dass sich moderne Gasheizung­en schon heute auch mit grünen Gasen wie Biomethan betreiben lassen.

Tatsächlic­h bedeutet das Klimapaket und der Gesetzentw­urf der Bundesregi­erung bei Weitem nicht das sofortige Aus der Ölheizung. Für den Einbau in Neubauten gibt es Ausnahmen, wenn eine klimafreun­dlichere Heizmethod­e nicht möglich ist. Und wer eine Ölheizung in Betrieb hat, wird dadurch voraussich­tlich nicht gezwungen sein, seine Heizanlage sofort zu ersetzen. Dennoch könnten Verbrauche­r und Industrie durch die geplanten Förderunge­n profitiere­n – wenn die Regierung rechtzeiti­g Klarheit schafft.

 ??  ??
 ?? FOTO: DPA ?? Eine Frau dreht am Thermostat einer Heizung: Während Ölheizunge­n in Neubauten kaum eine Rolle spielen, ist der Altbestand erheblich.
FOTO: DPA Eine Frau dreht am Thermostat einer Heizung: Während Ölheizunge­n in Neubauten kaum eine Rolle spielen, ist der Altbestand erheblich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany