Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Millionens­chwere Geldgräber

Der Bund der Steuerzahl­er präsentier­t sein Schwarzbuc­h – Darin finden sich auch Projekte aus der Region

- Von Theresa Münch und Ulf Vogler

BERLIN (dpa) - Milliarden­teure Rüstungsei­nkäufe, die Millioneng­räber Maut und „ella“: Der Bund der Steuerzahl­er hat mit 100 Beispielen die Geldversch­wendung deutscher Behörden angeprange­rt. Bund, Länder und Kommunen seien erneut sorglos mit dem Geld der Bürger umgegangen, sagte Präsident Reiner Holznagel am Dienstag. „Niemand kann sagen, wie viel Steuergeld insgesamt verschwend­et wird“– die Summe sei aber in jedem Fall hoch, sagte Holznagel. Vor allem Großprojek­te seien zuletzt oft aus dem Ruder gelaufen. Zugleich räumte der Verband ein: „Viele Projekte sehen wir mit anderen Augen als vielleicht die Verantwort­lichen.“Einige Beispiele:

Die gescheiter­te Pkw-Maut: Von der Pkw-Maut versprach sich der Bund Milliarden-Einnahmen, stattdesse­n wurde sie zum MillionenG­rab. Der Bund der Steuerzahl­er kritisiert, dass Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) die Verträge zur Erhebung und Kontrolle der Maut schloss, bevor Rechtssich­erheit bestand. Der Europäisch­e Gerichtsho­f erklärte die Maut danach für rechtswidr­ig. „Jetzt stehen Schadeners­atzforderu­ngen der gekündigte­n Auftragneh­mer von mehreren Hundert Millionen Euro im Raum“, heißt es im Schwarzbuc­h. Außerdem seien vor dem Stopp Kosten von mehr als 50 Millionen Euro angefallen. Der Fall ist jetzt Sache eines Untersuchu­ngsausschu­sses im Bundestag.

Die „Gorch Fock“und die Rüstungsei­nkäufe der Bundeswehr:

Die „Gorch Fock“ist Deutschlan­ds wohl bekanntest­e Schiffsbau­stelle – aber laut Steuerzahl­erbund nur eine Baustelle im Verteidigu­ngsministe­rium. Der Verband kritisiert, dass das Schiff für bis zu 135 Millionen Euro saniert werden soll – dabei hätte man „für weniger als die Hälfte des Geldes und deutlich früher als jetzt“einen Neubau bekommen können. Außerdem gibt es scharfe Kritik an Kostenexpl­osionen und Zeitverzög­erungen beim Einkauf von Transportf­liegern und Fregatten, dem Kampfhubsc­hrauber Tiger und dem Schützenpa­nzer Puma. Der Steuerzahl­erbund spricht von Mehrkosten in Höhe von 13,5 Milliarden Euro.

Aexandra und Freidrich – Wahlzettel im Reißwolf:

Vor den Kommunalwa­hlen 2019 nahmen es Mainz und drei weitere Landkreise in Rheinland-Pfalz mit den Kandidaten­namen nicht so genau. Wegen Rechtschre­ibfehlern wie „Aexandra“und „Freidrich“mussten mehr als eine halbe Million Stimmzette­l für rund 80 000 Euro neu gedruckt werden. „Irren ist zwar menschlich“, meint der Steuerzahl­erbund dazu. Aber für das Steuergeld hätten gleich zwei Lektoren ein Jahr lang beschäftig­t werden können.

Millioneng­rab „ella“: Die geplante digitale Bildungspl­attform für Schüler, Eltern und Lehrer „ella“in BadenWürtt­emberg ist laut dem Steuerzahl­erbund ein finanziell­es Desaster. Der Entwickler Iteos konnte keine gültigen Verträge mit einem Subunterne­hmer vorweisen. Der Vorvertrag mit Iteos wurde aufgelöst – da waren an den Entwickler schon 6,5 Millionen Euro geflossen.

Millioneng­rab „ASV“: Mit der Amtlichen Schulverwa­ltung (ASV) kann laut Südwest-Kultusmini­sterium etwa die amtliche Schulstati­stik elektronis­ch abgegeben werden. Seit Mai 2019 läuft laut dem Steuerzahl­erbund ein Pilotversu­ch der Software – 13 Jahre nach Projektsta­rt. Die Kosten erhöhten sich laut Steuerzahl­erbund von rund vier Millionen Euro auf 18,5 Millionen Euro. Berücksich­tige man auch Personalko­sten, käme man gar auf rund 47 Millionen Euro.

Dreckige Welle: Auf dem Neckar surfen – das war die Vision von privaten Initiatore­n, die sich für den Bau einer „Neckarwell­e“in Stuttgart-Untertürkh­eim einsetzten. Die Stadt steuerte für eine Machbarkei­tsstudie 93 000 Euro bei. Das Landesgesu­ndheitsamt wies aber nach, dass der Neckar dauerhaft mit Fäkalien und Krankheits­erregern belastet ist, der Bau der „Neckarwell­e“fiel damit ins Wasser. Die Wasserqual­ität hätte die Stadt schon früher im Blick haben können, meint der Steuerzahl­erbund: „Schade ums Geld.“

Steigende Kosten im Nationalpa­rk: Immer teurer wird laut Steuerzahl­erbund der Bau des Besucherze­ntrums im Nationalpa­rk Schwarzwal­d. 2014 war noch mit rund 25,5 Millionen Euro kalkuliert worden. Mittlerwei­le rechnet das Finanzmini­sterium mit rund 50 Millionen Euro.

NS-Dokuzentru­m: Auch bei dem Erweiterun­gsbau des Dokumentat­ionszentru­ms bei Hitlers einstigem Urlaubsdom­izil auf dem Obersalzbe­rg im Berchtesga­dener Land liefen die Kosten aus dem Ruder. Der Bau werde mit 30,1 Millionen Euro nun mehr als doppelt so teuer wie ehemals geplant. Grund für die Verteuerun­g seien unter anderem die Lüftungste­chnik, der Brandschut­z und die komplizier­te Lage im Gebirge.

Bahnhofstu­nnel in Augsburg: Als die Untertunne­lung des Augsburger Hauptbahnh­ofes 2009 erstmals in dem Buch auftauchte, wurde eine Kostenstei­gerung von 70 auf 95 Millionen Euro angeprange­rt. Inzwischen gehen die Verantwort­lichen von Ausgaben in Höhe von etwa einer Viertel Milliarde Euro aus.

Inselhalle Lindau: Dagegen ist die Kostenstei­gerung bei der Modernisie­rung der Inselhalle in der Bodenseest­adt Lindau noch überschaub­ar. Doch der Steuerzahl­erbund findet es trotzdem ärgerlich, dass die Ausgaben während der Arbeiten von 35 auf etwa 45 Millionen Euro „davongelau­fen“seien.

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 ??  ?? Das NS-Dokuzentru­m Obersalzbe­rg (oben), die „Gorch Fock“, die Pkw-Maut: Diese Projekte haben unnötig Geld verschlung­en.
Das NS-Dokuzentru­m Obersalzbe­rg (oben), die „Gorch Fock“, die Pkw-Maut: Diese Projekte haben unnötig Geld verschlung­en.
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FOTOS: BUND DER STEUERZAHL­ER/DPA

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