Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Weltspartag im Zinstief
Banken und Sparkassen werben weiterhin dafür, Geld zurückzulegen – Ist das noch zeitgemäß?
FRANKFURT (bsc/dpa) - Sparen? Wozu noch? Die Zinsen auf Sparbuch und Tagesgeldkonten sind quasi abgeschafft, wer viel Geld bei der Bank bunkert, dem drohen sogar Negativzinsen. Dennoch werben Sparkassen und Volksbanken unverdrossen für eine Institution: den Weltspartag.
Die Sparkasse Pforzheim Calw beispielsweise lockt zur „Weltsparparty“am 30. Oktober: „Komm mit Deinem Sparschwein vorbei, wähle ein Geschenk aus und feier mit.“Vor allem Kinder soll der Weltspartag seit 1925 Jahr für Jahr dafür begeistern, Geld zurückzulegen – und es einfach auf dem Sparbuch für sich arbeiten zu lassen.
Doch einfach nur sparen – das reicht heute nicht mehr. In Zeiten von Null- und Negativzinsen sollten sich Sparer etwas mehr mit der Geldanlage beschäftigen. „Die alten Anlagezöpfe müssen abgeschnitten werden“, ist Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank überzeugt. Denn er rechnet mit einer Verfestigung des Niedrigzinses: „Solange die Eurozone besteht, werden wir nie mehr wirklich Zinsen sehen, mit denen wir leben können. Jetzt ziehen wir noch die Inflation ab, dann kann man mit Zinsvermögen nur arm werden.”
So verwundert es nicht, dass der Niedrigzins inzwischen für 44 Prozent eine wichtige Rolle bei Entscheidungen
über die Geldanlage spielt. Laut Vermögensbarometer des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) haben 40 Prozent ihr Sparverhalten an die Niedrigzinsen angepasst. Davon hat knapp die Hälfte mit der Wahl anderer Anlageprodukte reagiert oder will dies tun. Leichter fällt das denjenigen, die über mehr Geld verfügen, als denjenigen mit weniger Geld. „Allerdings muss man auch bedenken, dass heute die negative Rendite stärker auffällt, weil die Zinsen so niedrig sind“, meint Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale BadenWürttemberg.
Denn die Deutsche Bundesbank hatte vor wenigen Monaten vorgerechnet, dass es von den gut 200 Monaten seit Januar 2003 nur in 34 Monaten überhaupt positive Realzinsen auf Bankguthaben gegeben habe, das heißt in mehr als vier Fünftel der Zeit schrumpfte das Geld auf der Bank.
Denn in der Zeit waren zwar die Zinsen höher, die Inflationsrate aber lag noch darüber. Dennoch sparen die Deutschen eifrig: Die Sparquote gemessen am verfügbaren Haushaltseinkommen steigt seit Jahren, 2018 legten die Deutschen elf von 100
Euro auf die hohe Kante. Doch für 54 Prozent der Deutschen ist Sicherheit immer noch das wichtigste Kriterium beim Vermögensaufbau, gefolgt von Verfügbarkeit und Flexibilität mit 31 Prozent, das zeigt das Vermögensbarometer des DSGV. Einen Teil seines Geldes sollte man deshalb auf zinstragenden Anlagen halten, meint auch Verbraucherschützer Nauhauser. Doch auf deutschen Giro- und Tagesgeldkonten schlummern nach Angaben der Bundesbank zwei Fünftel des gesamten Geldvermögens von 6,2 Billionen Euro.
Einen Teil dieses Geldes könnte man renditeträchtiger anlegen, doch die Beratung der Geldhäuser sei oft provisionsgetrieben, moniert Verbraucherschützer Nauhauser. Er sieht deshalb den Weltspartag inzwischen eher als „Marketing-Aktion“, bei der man einmal jährlich versuche, den Kunden neue Produkte zu verkaufen. So berichteten Verbraucher, ihnen sei „Goldsparen“für Kinder empfohlen worden, auch Bausparverträge, die den Banken eine hohe Provision einbrächten. Diese aber sind nicht für jeden Sparer die richtige Anlage. Immerhin zeigt sich, dass die Deutschen, lange als Aktienmuffel bekannt, inzwischen Aktien als geeignete Anlage in Niedrigzinszeiten sehen, gefolgt von Anlagen in Investment- und Immobilienfonds.