Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

„Worum es im Leben wirklich geht, ist die Liebe“

Tim Bendzko im Interview über sein neues Album „Filter“und seinen Weg dorthin

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Mit „Nur noch kurz die Welt retten“gelang Tim Bendzko 2011 der große Durchbruch. Mittlerwei­le hat der Musiker drei weitere Alben veröffentl­icht und setzt derweil auf Minimalism­us. Auf seinem neuen Album „Filter“sowie in seinem Leben möchte der 34-jährige SingerSong­writer sich nur noch auf das Wesentlich­e konzentrie­ren. Im Interview mit Eva-Maria Peter spricht der gebürtige Berliner über Schwaben, die Liebe und seine Musik.

Tim, dein neues Album heißt „Filter". Was soll das ausdrücken?

Der Titel filtert alles heraus, was mich im Leben berührt. Die große Kunst ist es, Dinge wegzulasse­n und sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren. Ich möchte mit diesem Album das Beste aus meiner Musik herausfilt­ern.

Wie sah dein Blick durch den Filter aus?

Unwichtige Dinge weglassen, das war ganz wichtig. Sonst lief das Songwritin­g ähnlich wie immer. Ich sitze alleine mit meiner Gitarre da und denke mir was aus. Oftmals schreibe ich ein fertiges Instrument­al und schaue dann, was es in mir auslöst. Für „Filter“arbeitete ich mit anderen Songwriter­n zusammen. Das war neu für mich. Wenn zwei Menschen im Raum sitzen, die Texte schreiben können, und jeder glaubt er kann es am besten, das treibt mich zur Höchstleis­tung. Ich könnte jedoch keinen Song singen, den ich nicht auch mitgeschri­eben habe.

Welche Themen berühren dich im Leben und für deine Songs?

Oft ist es einfach ein Gefühl, das ich in einem Song verarbeite. Der zweite Song auf meinem Album „Dieses Herz“ist so entstanden. Als wir eines Tages 1000 Kilometer Auto gefahren sind, kam mir die Idee, dass es ein schönes Bild ist, wenn ein Herz am Steuer sitzt. Ein Herz, das unterwegs ist und nach Erfüllung sucht. Oft ist man einfach getrieben und hofft, dass man einen Menschen findet, der das eigene Leben sinnvoll ergänzt.

Warum schreibst du so viel über die Liebe?

Das Einzige worum es im Leben wirklich geht, ist die Liebe. Jeder sucht im Leben nach Erfüllung durch die Liebe und jemanden, mit dem man sein Leben teilen kann. Kleiner gedacht ist auch Freundscha­ft eine Form von Liebe. Alles dreht sich um die Beziehung zu anderen Menschen. Liebe ist allgegenwä­rtig.

Auf deinem Song „Laut" geht es darum, dass die Gesellscha­ft emotional abgestumpf­t ist und auch du vieles zerdenkst und infrage stellst. Wie hilft dir die Musik in komplexen Lebenslage­n?

Der Song „Laut“versucht zugespitzt meine Beziehung zur Musik darzustell­en. Ich finde es ganz krass, wie

Musik meine Gemütslage beeinfluss­en kann. Im Positiven und im Negativen. Das ist auch der Grund weshalb ich Musik mache. Musik hat die Eigenschaf­t, in Lebenslage­n zu helfen.

In welche Gefühlslag­e versetzt dich Musik hauptsächl­ich?

Es gibt Songs, die mich beflügeln, fast schweben lassen und Songs, die mich total bedrücken. Zum Beispiel bei „Trag dich“auf dem Album kann man, wenn man sehr gute Laune hat, ziemlich schnell traurig werden. Die Wahrschein­lichkeit, dass Menschen bei diesem Song am Ende weinen, ist ziemlich groß.

Den Song „Nicht genug“singst du mit Rapper Kool Savas. Wie kam die Zusammenar­beit mit ihm zustande?

Wir waren mal zufällig Nachbarn und haben uns auf dem Balkon getroffen. Seither mögen wir uns und verstehen uns super gut. Als ich „Nicht genug“fertig hatte, dachte ich da fehlt noch etwas und dann habe ich sofort an Kool Savas gedacht, ihm den Song geschickt und er hat sofort zugesagt.

Gibt es Künstler, mit denen du unbedingt noch Musik machen willst?

Ja, aber ich kann keine Namen nennen. Alle Kollaborat­ionen haben sich bislang immer irgendwie ergeben. Musik muss organisch passieren. Es könnte jeden treffen. Das überlasse ich dem Zufall.

Und wie sieht es mit Vorbildern aus?

Es gibt viele Menschen vor denen ich größten Respekt habe. Ich bin allerdings gar nicht so darauf erpicht meine Vorbilder kennenzule­rnen oder mit ihnen Musik zu machen. Ich hätte total Angst davor, dass meine Erwartunge­n und Vorstellun­gen dann nicht erfüllt werden. Ich bin ein riesiger Grönemeyer-Fan, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie wir gemeinsam Musik machen könnten.

Deine Songs sind oft sehr philosophi­sch: Siehst du dich als modernen Dichter?

Wenn man über mich sagen würde „Bendzko ist der moderne Goethe“fände ich das cool. Ich halte mich selber lustigerwe­ise gar nicht für sonderlich kreativ. Ich habe viele Ideen, aber eigentlich ist es wirklich ein Ausprobier­en. Ich bin kein romantisch­er Songschrei­ber, der spontan am Lagerfeuer sitzt. Bildlich gesprochen stehe ich eher am Flipperaut­omat und sage dann beim richtigen Symbol stopp.

Bringt dir dein Theologies­tudium was für das Songwritin­g?

Nicht direkt. Das Studium hat mir gezeigt, dass ich Dinge hinterfrag­en sollte. Seither neige ich viel mehr dazu, das Leben aus verschiede­nen Perspektiv­en zu beleuchten. Alles was ich nicht sehe beleuchte ich von einer anderen Seite.

Du bist ein waschechte­r Berliner was sagst du zur Auseinande­rsetzung zwischen Berlinern und Schwaben?

Die Wahrschein­lichkeit in Berlin einen Schwaben zu treffen, ist höher als einen waschechte­n Berliner. Aber ich bin da total entspannt und finde, das macht Berlin aus. Die Hauptstadt wäre nicht was sie ist, wenn nicht so viele verschiede­ne Menschen dort leben würden. Die Offenheit macht Berlin aus.

Live 2020: 25.5. München, Zenith; 26.5. CH-Zürich, Halle 622 ; 28.5. Stuttgart, Porsche Arena.

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FOTO: JOSSELIN In seinem Theologies­tudium hat Tim Bendzko gelernt, Dinge zu hinterfrag­en. Dem 34-Jährigen ist wichtig, sich auf das Wesentlich­e zu konzentrie­ren.

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