Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ravensburg
Wie weit ist es mit der Akzeptanz? – Im Humpisquartier gab es differenzierte Antworten
Sind Lesben, Schwule und Transpersonen in Oberschwaben akzeptiert? Im Humpisquartier gab es differenzierte Antworten.
RAVENSBURG (sz) - Sind Lesben, Schwule und Transpersonen auch in Oberschwaben akzeptiert? War ihr Kampf für gleiche Rechte erfolgreich? 2019 jährt sich der Christopher Street Day zum 50. Mal: Gelegenheit, Bilanz zu ziehen. Die Landesregierung hat dazu unter Federführung von Sozial- und Integrationsminister Manne Lucha das Aktionsjahr 2019 „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“ins Leben gerufen und Kommunen, Verbände und Institutionen der Community ins Boot geholt. In drei Regionalveranstaltungen in Ravensburg, Heidelberg und Freiburg und damit in den „hippsten Städten des Landes“, wie Manne Lucha feststellte, kommt die Community selbst zu Wort. Bei der Auftaktveranstaltung im Ravensburger Humpisquartier wurde deutlich: Die Akzeptanz hat einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Aber Vorurteile gibt es immer noch.
Die im Statistischen Landesamt angesiedelte Familienforschung Baden-Württemberg
hatte im Auftrag des Sozialministeriums gemeinsam mit Stefan Goller-Martin, dem Leiter des Ravensburger Amtes für Soziales und Familie, die Veranstaltung konzipiert und organisiert. Nicht nur Vertreter der Community kamen zu Wort, sondern auch drei junge Poetry-Slammerinnen des Vereins „Sprachmächtig“, die bewegende Texte zum Thema vortrugen.
Die Veranstalter hatten mit Hendrik Groth den Chefredakteur der „Schwäbischen Zeitung“als Moderator gewonnen. Der befragte die Transfrau Isabelle Melcher, Leiterin der Ulmer Beratungsstelle für Transsexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen, den schwulen ITExperten Jonas Lang aus Tettnang, die lesbisch lebende Weingartenerin Michaela Kible und den jungen Trans-Mann Lachlan Eckert, der Sprecher des Ravensburger Schülerrats ist, zu ihrem Coming-out und zu ihrem Alltag. Deutlich wurde in den
Antworten, dass es immer noch ein Stadt-Land-Gefälle gibt. Wer im Dorf aufwächst und lebt und nicht hetero ist, hat’s nicht leicht. Oft, so TransMann Lachlan Eckert, haben die Leute keine Ahnung. „Ich musste Behörden und Lehrern erklären, wie die Rechtslage ist“, sagte er. Die erfahrene Beraterin Isabelle Melcher machte deutlich, wie wichtig bei jungen Menschen bei der Entdeckung ihrer sexuellen Identität insbesondere der Rückhalt der Familie ist.
Simon Blümcke, Ravensburgs Erster Bürgermeister, erzählte in seiner Doppelrolle als Hausherr und Vertreter der Community davon, dass er seine Homosexualität erst offen thematisiert habe, als er als Bürgermeister in Hagnau am Bodensee gewählt worden war. „Hätte ich es im Wahlkampf zum Thema gemacht, hätte das faktisch ein Berufsverbot für mich bedeutet. Ich wäre nicht gewählt worden.“
Minister Manne Lucha verwies auf die insgesamt gestiegene gesellschaftliche Akzeptanz, aber auch auf die Initiativen und Erfolge der Landesregierung und seines Hauses. Lucha nannte beispielhaft die Charta der Vielfalt, die Ehe für alle, die Unterstützung des Landes für das Netzwerk LSBTTIQ Baden-Württemberg, den Aktionsplan „Für Akzeptanz und gleiche Rechte“, zu dem auch diese Veranstaltung gehöre. Beim jährlichen CSD-Empfang habe in diesem Jahr das 25-jährige Bestehen des Netzwerks lesbischer und schwuler Polizistinnen und Polizisten im Zentrum gestanden.
Lucha freute sich besonders darüber, dass neben Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp auch dessen Kollege aus der Nachbarstadt Weingarten zur Veranstaltung gekommen war: „Wenn ich mit Markus Ewald beim Blutritt auf dem Rathausbalkon stehe, dann weiß ich, dass wir in Sachen Akzeptanz ein großes Stück weitergekommen sind.“