Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Aufatmen nach dem Krimi

Endlich stabil: Stuttgart gelingt die Revanche beim HSV – Matchwinne­r Al Ghaddioui

- Von Felix Alex

HAMBURG - Tim Walter hatte es schon immer gewusst. Auch nach drei Niederlage­n in Serie hatte der Trainer ja steif und fest behauptet, dass sein VfB Stuttgart voll im Plan lag. Doch war die Erleichter­ung umso größer, als der Moment der Erlösung endlich da war. Nach dem 2:1 (1:1)-Pokalsieg nach Verlängeru­ng des VfB beim Hamburger SV, nach dem Einzug ins Achtelfina­le des DFB-Pokals, war die Leichtigke­it so greifbar wie seit Wochen nicht mehr beim VfB. Drei Tage nach der 2:6Klatsche an selber Stelle in der 2. Bundesliga hat der plötzlich stabil spielende VfB in einer generell von Vorsicht geprägten Partie durch den umjubelten späten Sieg die schwelende Unruhe gedämpft. Der eingewechs­elte Hamadi Al Ghaddioui erlöste die Württember­ger in der 113. Minute.

„Es war nicht schön, drei Spiele hintereina­nder zu verlieren. Nach dem 2:6 wollten wir Gesicht zeigen und das haben wir geschafft“, sagte Gonzalo Castro. Matchwinne­r Al Ghaddioui scherzte: „Ich hatte solche Situation ja schon ein paar Mal. Reinkommen und treffen. Es ist natürlich ein unbeschrei­bliches Gefühl und gibt uns auch einen Schub für die Liga.“Und nicht nur dem VfB, sondern auch Trainer Tim Walter, der nach dem fehlerbeha­fteten ersten Auftritt an der Elbe immer weiter in den Fokus gerückt war. „Ihr werdet es mir zwar nicht glauben, aber bei seiner Einwechslu­ng habe ich ihm gesagt: ,Geh rein und mach ihn!“, beschrieb der Trainer sichtlich gelöst seinen entscheide­nden Wechsel.

Der so nötige „Lucky Punch“

Wie groß die Anspannung nach drei Niederlage­n in Folge in der Liga war, wird so richtig deutlich, wenn man die nun gelöste Stimmung im Vergleich mit der Atmosphäre drei Tage zuvor betrachtet. Mehrere Wochen waren das Bruddeln auf den Tribünen und im Umfeld ständige Begleiter und schienen die Mannschaft zu lähmen. Sportvorst­and Sven Mislintat sprach nach dem Sieg von einem „Lucky-Punch“. Den sich der VfB über die Distanz verdient habe.

Trainer Walter hatte seiner Mannschaft mal eine etwas weniger waghalsige Formation ganz ohne klassische­n Mittelstür­mer verordnet: Dennoch ging es furios los. Erste

Spielminut­e, erster Walter-Moment: Holger Badstuber mit einem traumhafte­n, langen Pass auf Philipp Förster, der nach Kontakt mit Gideon Jung fällt. Strafstoß. Nicolaz Gonzales (2.) verwandelt sicher. Doch hielt die Hoffnung nur 14 Minuten – bis Santiago Ascacibar Hamburgs David Kinsombi nicht brutal, aber übermotivi­ert vor die Füße grätscht. Musste man nicht pfeifen. Dennoch: Wieder Elfmeter. Wieder Treffer. Fabian Bredlow, überrasche­nd statt Gregor Kobel im Tor der Stuttgarte­r, wird verladen. Aaron Hunt (16.) stellt das Ergebnis auf Remis. Danach verflachte die Partie etwas, jedoch auh hohem taktischen Niveau.

Als wollte er wieder ebenso furios wie 45 Minuten zuvor beginnen, machte sich nach der Pause wieder Badstuber daran, den VfB in Führung zu schießen. Nach seiner Zwangspaus­e infolge der „Muschi-Affäre“anscheinen­d mit ausreichen­d Energie bestückt, köpfelte der Mann aus Rot an der Rot in der 47. Minute nach einer Ecke von Gonzalo Castro nur äußerst knapp am Hamburger Tor vorbei. Auch die übrigen BrustringK­icker schienen die vier Flüge innerhalb von knapp 100 Stunden zwischen Stuttgart und Hamburg gut weggesteck­t zu haben. Im Vergleich zum Ligaspiel kamen die Hamburger nur selten in die Räume und vor allem stand die VfB-Abwehr. Wo am Samstag noch Fehler das Geschehen bestimmt hatten, gingen nun die defensiven Ideen sowohl von Walter, als auch von seinem Gegenüber Dieter Hecking („Wir sind schon richtig gut, aber es gibt Spiele, die man verliert – heute war so eine Spiel.“) auf. Die Verlängeru­ng war folgericht­ig. Hier sprach die Statistik für den VfB. Die letzten vier Pokalspiel­e mit Nachschlag hatte Stuttgart immer gewonnen.

Dabei blieb es. Wenn auch spät, als das Elfmetersc­hießen schon bedrohlich nah war. Silas Wamangituk­a nahm all seinen Mut und sein Können zusammen, brach ganz allein auf der rechten Seite durch, dribbelte, tankte sich durch den Strafraum und hämmerte den Ball an den Pfosten, die Kugel sprang in den Rückraum zu

Karazor, der direkt zu Al Ghaddioui schoss. Der nahm Maß, der Rest war Jubel.

„Man muss mal sehen, mit was für einer Hypothek wir hier angereist, da tut das richtig gut“, beschrieb Mislintat die nun einsetzend­e Erleichter­ung. Tim Walter wurde sogar noch direkter: „Wir haben zuvor ordentlich auf die Fresse bekommen und heute gezeigt, dass wir Respekt verdient haben.“

Hamburg: Heuer Fernandes – Vagnoman (95. Kittel), G. Jung, van Drongelen, Leibold – Kinsombi (103. C. Moritz), Fein, Hunt (68. Dudziak) – Jatta, Hinterseer, Samperio Bustara (68. Narey).– Stuttgart: Bredlow – P. Stenzel, M. O. Kempf, Badstuber, Castro – Mangala (110. Al Ghaddioui), Karazor, Ascacibar – Klement (120. Phillips), Förster (58. Wamangituk­a) – Gonzalez.– Zuschauer: 45 503. – Tore: 0:1 Gonzalez (2./Foulelfmet­er), 1:1 Hunt (16./Foulelfmet­er), 1:2 Al Ghaddioui (114.)

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FOTO: IMAGO IMAGES Nach drei Niederlage­n wieder euphorisch: Die Stuttgarte­r Jubeltraub­e nach dem Siegtreffe­r.

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