Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Vermeintliche Drohung war Hustenanfall
AfD-Politikerin Alice Weidel wirft bei einem Auftritt in Weingarten einen Zuhörer aus dem Saal im Kultur- und Kongresszentrum – Nun erklärt sich der Betroffene
Alice Weidel wirft Zuhörer aus dem Kuko. Nun erklärt sich der Betroffene.
WEINGARTEN - Für jede Menge Aufregung hat am vergangenen Sonntag ein Zuhörer der AfD-Veranstaltung im Kultur- und Kongresszentrum Oberschwaben (Kuko) in Weingarten gesorgt. Weil Rednerin Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende im Bund, eine Handbewegung eines Mannes im Publikum als „Kopf-abGeste“deutete, wie sie es nannte, ließ sie ihn aus dem Saal werfen. Ein Video-Mitschnitt dieser Situation, den Weidel auf ihren Social-MediaKanälen postete, sorgte dann zu Beginn der Woche für reichlich Unruhe im Netz und zog das Interesse von überregionalen Medien auf sich. Nun hat sich der aus dem Saal verwiesene Mann bei der „Schwäbischen Zeitung“gemeldet und die Situation
aus seiner Sicht geschildert. Doch ist er nicht, wie Weidel vermutete, ein politischer Gegner. Vielmehr steht er der AfD wohlwollend gegenüber. Und die vermeintliche Morddrohung sei auch nur ein Hustenanfall gewesen.
„Ich sitze mit meiner Bronchitis im Saal und huste mir einen ab“, erzählt der Mann, der anonym bleiben möchte, dessen Identität der SZ bekannt ist und der laut Augenzeugenberichten auch die betroffene Person ist. „Ich habe mir nur auf den Brustkorb geklopft und die Hand auf die Bronchien gehalten.“Doch Weidel bewertete die Situation komplett anders. Er habe ihr die „Kopf-abGeste“gezeigt, meinte sie und ließ den Mann vom Sicherheitsdienst aus dem Saal führen. Weidel äußerte in der Folge vom Podium herab emotional und lautstark den Verdacht, dass er zu den örtlichen Grünen gehören könnte – die jüngst die Verbannung der AfD aus dem Kuko gefordert hatten – und kündigte an, das Parteibuch des Mannes sehen zu wollen und ihn anzuzeigen.
Doch gehöre er keiner Partei an, erklärte der Mann aus Oberschwaben im SZ-Gespräch. Er sei einfach politisch interessiert und besuche gerne Wahlveranstaltungen. So sei er auch schon mehrfach bei AfD-Veranstaltungen gewesen, möge aber auch Sahra Wagenknecht von der Linkspartei. Dennoch sagt er: „Ich habe mich nicht links-grün verblenden lassen. Ich bin konservativ. Andere sagen rechts. Das empfinde ich aber nicht als Beleidigung.“
Er habe sich auf Alice Weidel gefreut und sie in keiner Weise kritisieren, geschweige denn bedrohen wollen. Auch habe er mit Weidels persönlichem Referenten in der Folge das Gespräch gesucht und sich erklärt.
Umso überraschter war der Beschuldigte, der von der Polizei zur Aufnahme der Personalien mit auf das Weingartener Revier genommen wurde, als die AfD-Fraktionsvorsitzende zu Beginn der Woche einen Videoausschnitt der Situation im Kuko
postete. Zwar war der Mann darauf nicht direkt zu erkennen. Dennoch habe ihn die gesamte Situation aufgewühlt und beschäftigt. Umso erfreuter war er, als Weidel das Video im Laufe des Dienstags von ihren Social-Media-Accounts entfernte. Als Begründung schrieb sie, dass sich der Mann mit dem Hustenanfall erklärt habe. Sie nehme dies zur Kenntnis.