Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Ein gut gemeintes Sammelsurium
Nach schrecklichen Ereignissen wie dem antisemitischen Anschlag von Halle wird meist der Ruf nach schärferen Gesetzen laut. Für Innen- und Sicherheitspolitiker ist das die Chance, Gesetzesvorhaben im Schnelldurchgang voranzutreiben, die sonst mühevoller Überzeugungsarbeit bedurft hätten. Das Verständnis für solche Schritte wächst in der Nachwirkung der schlimmen Tat. Gleichzeitig kann die Politik der Bevölkerung signalisieren, dass sie der Gewalt nicht tatenlos zusieht.
So ist es auch mit dem aktuellen Maßnahmenpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität, das das Bundeskabinett am Mittwoch beschlossen hat. Nachdem die Dynamik im Rechtsextremismus jahrelang unterschätzt wurde, haben die zuständigen Minister Maßnahmen zusammengetragen, um der Gefahr entgegenzutreten. Allerdings wirkt die Zusammenstellung ein wenig willkürlich. Der Kampf gegen Hasskriminalität und eine Verschärfung des Waffenrechts stehen dort gleichberechtigt neben einem besseren Schutz von Notärzten im Einsatz, die eher selten Opfer rechtsextremistischer Übergriffe werden dürften.
Das hat mit praktischen Erwägungen zu tun. Die Ministerien haben in die Eckpunkte all jene Vorhaben hineingeschrieben, die ohne größere Probleme durch den Bundestag gehen dürften und im Bundesrat weitgehend nicht zustimmungspflichtig sind. Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass diese Pläne unmittelbar in Kraft treten können. Dafür müssen mehrere Gesetze umgeschrieben, vom Parlament debattiert und beschlossen werden. Das wird noch mehrere Monate dauern.
Und erst danach wird es für die Koalition ungemütlich – falls sie den Jahreswechsel überhaupt übersteht. Denn die größeren Brocken bei der inneren Sicherheit kommen erst noch. Bei der Reform des Bundesverfassungsschutzgesetzes oder des Bundeskriminalamtsgesetzes liegen Union und SPD viel weiter auseinander als in dem Sammelsurium des guten Willens, das am Mittwoch auf den Weg gebracht wurde.