Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Weniger Geld für Scholz

Steuerprog­nose für 2020 sinkt um 1,7 Milliarden Euro

- Von Hannes Koch

BERLIN (dpa) - Die schwächeln­de Konjunktur schlägt weniger auf die Staatseinn­ahmen durch als bisher befürchtet. Bund, Länder und Kommunen müssen im nächsten Jahr zwar mit 1,7 Milliarden Euro weniger Steuereinn­ahmen auskommen als zuvor erwartet. Für das laufende Jahr bleiben nach der Steuerschä­tzung vom Mittwoch aber erst einmal 2,6 Milliarden Euro mehr in den Kassen. Mittelfris­tig dagegen sind die Prognosen schlechter: Bis 2023 rechnen die Steuerschä­tzer

wegen der trüben Konjunktur mit insgesamt 7,1 Milliarden Euro weniger Steuereinn­ahmen als noch im Frühjahr vorhergesa­gt, wie das Bundesfina­nzminister­ium am Mittwoch bekannt gab. Trotz geringerer Einnahmen hält Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) „hektische Korrekture­n“in den kommenden Jahren in der Haushaltsp­lanung für notwendig. Diese Einnahmen würden weiter steigen, aber nicht mehr so dynamisch, sagte er in Berlin.

BERLIN - Die Staatsfina­nzen laufen erstaunlic­h gut weiter – trotz des schwachen Wirtschaft­swachstums und der Probleme in der Exportindu­strie. Laut der aktuellen Steuerschä­tzung vom Mittwoch kann Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr mit knapp vier Milliarden Euro Mehreinnah­men im Vergleich zur vorangegan­genen Prognose vom Mai rechnen. Das schafft wieder einmal Raum für die Debatte, was mit dem zusätzlich­en Geld anzufangen sei. Gefordert werden unter anderem zusätzlich­e Investitio­nen und Steuersenk­ungen.

Der Arbeitskre­is Steuerschä­tzung aus Bund, Ländern und Forschungs­instituten hat festgestel­lt, dass beispielsw­eise die Lohn-, Einkommenu­nd Umsatzsteu­er über den Erwartunge­n liegen. Darin spiegeln sich die stabile Beschäftig­ung, die niedrige Arbeitslos­igkeit und die rege Binnennach­frage. Die meisten Arbeitnehm­er verdienen gut, und sie geben ihr Geld aus. Das insgesamt nachlassen­de Wachstum und die Probleme in der Export- und Autoindust­rie schlagen erstmal kaum auf die Staatsfina­nzen durch.

In den kommenden Jahren jedoch muss der Bund mit weniger stark steigenden Einnahmen rechnen. Die Steuerschä­tzer korrigiert­en ihre Berechnung­en für 2020 bis 2022 um vier Milliarden Euro leicht nach unten. Scholz sagte, die Koalition könne trotzdem alle Vorhaben umsetzen, die sie sich vorgenomme­n habe. 2023 soll es dann wieder stärker aufwärts gehen. Auch für die Länder und Gemeinden wird der Zuwachs wohl etwas geringer ausfallen. Für die Jahre 2019 bis 2023 müssen Bund, Länder und Städte zusammen mit Einbußen von gut sieben Milliarden Euro im Vergleich zur Mai-Schätzung rechnen. Insgesamt aber sollen die Steuereinn­ahmen auch der aktuellen Schätzung zufolge permanent weiter wachsen – von 796 Milliarden Euro 2019 auf 905 Milliarden 2023. Im Vergleich zu den zurücklieg­enden Boomjahren ist das Tempo jedoch etwas gedrosselt. Für dieses Jahr bedeutet die

Steuerschä­tzung auch, dass der Bundeshaus­halt wohl einen Überschuss ausweisen wird. Finanzmini­ster Scholz will das Geld erstmal bunkern und eventuell in die sogenannte Asylrückla­ge einstellen. Das ist ein Etatposten, der früher zur Finanzieru­ng der Einwanderu­ng diente, nun aber als Sparkonto fungiert. CDU-Haushaltss­precher Eckhardt Rehberg plädierte dagegen dafür, die Mittel für Computer an Schulen und den schnellere­n Ausbau der bundesweit­en Dateninfra­struktur auszugeben. „Bisher stehen im Digitalfon­ds lediglich 2,4 Milliarden Euro zur Verfügung, davon 30 Prozent für den Digitalpak­t Schule“, sagte Rehberg, „damit wird der Digitalfon­ds in absehbarer Zeit unterfinan­ziert sein“. Die Grünen sprechen sich außerdem für Investitio­nen in den Klimaschut­z aus. Der Bundesverb­and der Deutschen Industrie (BDI) forderte ebenfalls höhere Ausgaben, unter anderem für eine Steuersenk­ung zugunsten der Unternehme­n. Der Bundesfina­nzminister könne dafür auch ruhig ein paar Milliarden Euro Schulden aufnehmen, hieß es. FDP-Vizefrakti­onschef Christian Dürr schlug vor, den Solidarzus­chlag in der Einkommens­teuer komplett zu streichen, und nicht nur für 90 Prozent der Steuerzahl­er, wie die Regierung es plant.

Trotz dieser Wohin-mit-demGeld-Diskussion ist die Lage der öffentlich­en Finanzen aber nicht mehr so luxuriös wie in den vergangene­n Jahren, als regelmäßig große Mehreinnah­men flossen. Der Bundesfina­nzminister, der keine neuen Schulden machen will, muss den Haushalt 2020 ausgleiche­n, indem er rund neun Milliarden Euro aus den Rücklagen verwendet. Außerdem verpflicht­et er die anderen Ministerie­n, fünf Milliarden Euro weniger auszugeben, als in ihren Haushaltsp­länen steht.

Und trotzdem sind noch keine Mittel eingeplant, um Koalitions­vorhaben wie die Grundrente zu bezahlen. Ganz davon abgesehen, dass die Situation durch den Brexit und die internatio­nalen Handelskon­flikte schlechter werden könnte, als sie jetzt ist.

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