Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Klimaschutz: Was die Parteien wollen
Von CO2-Steuer bis Abwrackprämie für Ölheizungen – Die wichtigsten Forderungen im Überblick
RAVENSBURG - Der politische Kampf gegen die Erderhitzung ist für einen wachsenden Teil der deutschen Wähler das wichtigste Thema. Die Bundesregierung hat darauf reagiert – mit einem Klimapaket. In ihm stehen unter anderem ein CO2-Preis von anfänglich zehn Euro pro Tonne, niedrigere Steuern auf Zugtickets und die Förderung der E-Mobilität. Es ist ein Kompromiss aus den Positionen der Regierungsparteien CDU, CSU und SPD. Aber was sind eigentlich die Maximalforderungen der Parteien, und wie sehen ihre Rezepte aus im Kampf gegen die Klimakrise? Die Positionen im Überblick:
CDU: Die Christdemokraten haben ihr Klimaschutzkonzept am 16. September vorgestellt – unter dem Titel „Innovationen statt Verbote“. Die mehrfach betonte Grundidee des 34 Seiten langen Papiers: Strengerer Klimaschutz soll weder die Wirtschaft schwächen noch Menschen mit geringerem Einkommen stärker belasten. Die CDU fordert eine Ausweitung des Emissionshandels (wer Treibhausgase ausstößt, muss Zertifikate kaufen) statt einer CO2-Steuer. Mit den Einnahmen aus dem Handel sollen niedrigere Abgaben auf den Strompreis finanziert werden. Die CDU will außerdem eine Abwrackprämie für alte Ölheizungen, einen Ausbau von Schienen, Radwegen und Ladestationen für E-Fahrzeuge sowie eine höhere
Pendlerpauschale für Menschen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Rad zur Arbeit fahren. Außerdem spricht sich die CDU dafür aus, „nachhaltige Entwicklung“als Staatsziel im Grundgesetz zu verankern.
CSU: Bei den bayerischen Christsozialen gibt es viele Überschneidungen mit der CDU. Die Partei hat ihr Konzept „Klima schützen, Konjunktur stützen“am 7. September vorgestellt. Die CSU ist in ihren Forderungen an manchen Stellen allerdings konkreter als die CDU. So fordert die CSU etwa, 30 Millionen Bäume in den Bayerischen Staatsforsten in den nächsten fünf Jahren zu pflanzen – die CDU spricht dagegen allgemein davon, Aufforstung über einen „Klima- und Innovationsfonds“zu fördern. Außerdem fordert die CSU, 365-Euro-Jahrestickets für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) „schrittweise“einzuführen, die CDU spricht von „massivem Ausbau“von Bus und Bahnen. In einzelnen Punkten geht die CSU auch weiter als die Schwesterpartei: So spricht die CSU von einem Kohleausstieg im Jahr „2030 plus“, die CDU beharrt auf 2038 – dem Jahr, auf das sich die Kohlekommission im Januar geeinigt hat.
SPD: „Masterplan für sozial gerechten Klimaschutz“heißt das Papier, das die SPD im Juni vorgestellt hat. Darin fordert sie – im Gegensatz zur Union – eine CO2-Steuer, die die Verursacher auf jede Tonne ausgestoßener Treibhausgase bezahlen müssen. Ein konkreter Preis steht in dem Papier nicht. Die Einnahmen aus der CO sollen jenen Bürgern zurückgegeben werden, die sich klimaschonend verhalten. Bürger mit niedrigerem Einkommen sollen einen höheren staatlichen Zuschuss für den Kauf eines E-Autos erhalten. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix auf 65 Prozent steigen – von derzeit knapp 40 Prozent. Menschen sollen in den Gemeinden stärker an der Energiewende beteiligt werden – etwa über Bürgerwindparks.
AfD: Die AfD ist die einzige im Bundestag vertretene Partei, die in ihrem Grundsatzprogramm bestreitet, dass der Klimawandel menschengemacht ist und derzeit eine Erderhitzung stattfindet. Ende August hat die AfD ein „Themenfaltblatt Energie“veröffentlicht, in dem sie ihre Positionen in Sachen Energie und Umwelt zusammenfasst. „Das irrationale Projekt der Dekarbonisierung beenden“, so fasst die AfD ihre zentrale Position zusammen. Konkrete Forderungen, die sich daraus ableiten: das von allen Staaten der Welt unterschriebene Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) streichen, keine Förderung der Elektromobilität, deutliche Einschränkungen für den Ausbau der Windenergie, eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken.
FDP: Den „german engineered Klimaschutz“– frei übersetzt: Klimaschutz durch deutsche Ingenieurskunst – haben sich die Liberalen auf die Fahnen geschrieben. Schon auf ihrem Bundesparteitag im April hat die FDP ihre Ideen für Klimaschutz ins Zentrum gerückt. Die Kernidee: Auf internationaler Ebene soll das Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, die Begrenzung der Erderhitzung auf maximal zwei oder optimalerweise 1,5 Grad, durch einen deutlich ausgeweiteten Emissionshandel erreicht werden. Die Menge der verfügbaren Zertifikate soll dabei nach und nach gesenkt werden. Außerdem will die FDP neben der E-Mobilität auf synthetische Kraftstoffe setzen, um den Verkehr klimaneutral zu machen. Über ein Klima-Investitionsprogramm sollen CO2-neutrale Technologien gefördert werden. Die FDP will außerdem in die CO2-Speicherung investieren – durch Aufforstung und Moor-Renaturierung, aber auch durch industrielle Projekte in diesem Bereich.
Linke: Die Linkspartei hat ihre wichtigsten Forderungen zum Klimaschutz in einem Fünf-Punkte-Papier zusammengefasst, das sie im Mai veröffentlicht hat. Darin spricht die Partei sich für folgende Schritte aus: einen ticketfreien ÖPNV in ganz Deutschland bis zum Jahr 2022; einen „öffentlich betriebenen und am Bedarf ausgerichteten“Ausbau des Bahnverkehrs, sowohl für Personen als auch für Güter; einen sofortigen Stopp aller staatlichen Subventionen für den Flugverkehr; eine Rekommunalisierung der Energieversorgung;
einen Kohleausstieg bis 2030. Außerdem tritt die Partei für eine deutliche Erhöhung der LkwMaut ein – und für eine CO2-Steuer. Laut einem Positionspapier der Linken-Bundestagsfraktion muss die steuer bei „60 Euro aufwärts“pro Tonne ausgestoßenem Treibhausgas liegen. Die Einnahmen der Steuer sollen als „Ökobonus“an Menschen mit geringem Einkommen zurückfließen.
Grüne: Klimaschutz ist eines der Kernthemen der Grünen. Schon im Bundestagswahlprogramm 1990 forderte die Partei die Dekarbonisierung der Wirtschaft. Ende Juni 2019 veröffentlichten die Grünen ein Programmpapier mit dem Titel „Klimaschutz: Was jetzt zu tun ist“. Darin fordern sie Sofortmaßnahmen in drei Bereichen: Kohleausstieg, CO2Preis, Klimaschutzgesetz. Im ersten Bereich sollen bis 2022 ein Viertel der Braunkohle- und ein Drittel der Steinkohlekapazitäten bei Kohlekraftwerken vom Netz gehen. Im EEG sollen alle Deckel gestrichen werden, um den Ausbau erneuerbarer Energien zu beschleunigen. Die Grünen fordern eine CO2-Steuer in Höhe von anfangs 40 Euro pro ausgestoßener Tonne. Im Gegenzug sollen Bürger durch ein „Energiegeld“nach Schweizer Vorbild entlastet werden, die Grünen sprechen von 400 Euro jährlich für einen Vier-Personen-Haushalt. Ein grünes Klimaschutzgesetz soll unter anderem deutlich mehr Fördergeld für energetische Sanierung von Gebäuden vorsehen – sowie eine deutlich höhere Förderung von E-Mobilität und ÖPNV.