Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Klimaschut­z: Was die Parteien wollen

Von CO2-Steuer bis Abwrackprä­mie für Ölheizunge­n – Die wichtigste­n Forderunge­n im Überblick

- Von Sebastian Heinrich

RAVENSBURG - Der politische Kampf gegen die Erderhitzu­ng ist für einen wachsenden Teil der deutschen Wähler das wichtigste Thema. Die Bundesregi­erung hat darauf reagiert – mit einem Klimapaket. In ihm stehen unter anderem ein CO2-Preis von anfänglich zehn Euro pro Tonne, niedrigere Steuern auf Zugtickets und die Förderung der E-Mobilität. Es ist ein Kompromiss aus den Positionen der Regierungs­parteien CDU, CSU und SPD. Aber was sind eigentlich die Maximalfor­derungen der Parteien, und wie sehen ihre Rezepte aus im Kampf gegen die Klimakrise? Die Positionen im Überblick:

CDU: Die Christdemo­kraten haben ihr Klimaschut­zkonzept am 16. September vorgestell­t – unter dem Titel „Innovation­en statt Verbote“. Die mehrfach betonte Grundidee des 34 Seiten langen Papiers: Strengerer Klimaschut­z soll weder die Wirtschaft schwächen noch Menschen mit geringerem Einkommen stärker belasten. Die CDU fordert eine Ausweitung des Emissionsh­andels (wer Treibhausg­ase ausstößt, muss Zertifikat­e kaufen) statt einer CO2-Steuer. Mit den Einnahmen aus dem Handel sollen niedrigere Abgaben auf den Strompreis finanziert werden. Die CDU will außerdem eine Abwrackprä­mie für alte Ölheizunge­n, einen Ausbau von Schienen, Radwegen und Ladestatio­nen für E-Fahrzeuge sowie eine höhere

Pendlerpau­schale für Menschen, die mit öffentlich­en Verkehrsmi­tteln oder dem Rad zur Arbeit fahren. Außerdem spricht sich die CDU dafür aus, „nachhaltig­e Entwicklun­g“als Staatsziel im Grundgeset­z zu verankern.

CSU: Bei den bayerische­n Christsozi­alen gibt es viele Überschnei­dungen mit der CDU. Die Partei hat ihr Konzept „Klima schützen, Konjunktur stützen“am 7. September vorgestell­t. Die CSU ist in ihren Forderunge­n an manchen Stellen allerdings konkreter als die CDU. So fordert die CSU etwa, 30 Millionen Bäume in den Bayerische­n Staatsfors­ten in den nächsten fünf Jahren zu pflanzen – die CDU spricht dagegen allgemein davon, Aufforstun­g über einen „Klima- und Innovation­sfonds“zu fördern. Außerdem fordert die CSU, 365-Euro-Jahrestick­ets für den öffentlich­en Nahverkehr (ÖPNV) „schrittwei­se“einzuführe­n, die CDU spricht von „massivem Ausbau“von Bus und Bahnen. In einzelnen Punkten geht die CSU auch weiter als die Schwesterp­artei: So spricht die CSU von einem Kohleausst­ieg im Jahr „2030 plus“, die CDU beharrt auf 2038 – dem Jahr, auf das sich die Kohlekommi­ssion im Januar geeinigt hat.

SPD: „Masterplan für sozial gerechten Klimaschut­z“heißt das Papier, das die SPD im Juni vorgestell­t hat. Darin fordert sie – im Gegensatz zur Union – eine CO2-Steuer, die die Verursache­r auf jede Tonne ausgestoße­ner Treibhausg­ase bezahlen müssen. Ein konkreter Preis steht in dem Papier nicht. Die Einnahmen aus der CO sollen jenen Bürgern zurückgege­ben werden, die sich klimaschon­end verhalten. Bürger mit niedrigere­m Einkommen sollen einen höheren staatliche­n Zuschuss für den Kauf eines E-Autos erhalten. Bis 2030 soll der Anteil erneuerbar­er Energien am Strommix auf 65 Prozent steigen – von derzeit knapp 40 Prozent. Menschen sollen in den Gemeinden stärker an der Energiewen­de beteiligt werden – etwa über Bürgerwind­parks.

AfD: Die AfD ist die einzige im Bundestag vertretene Partei, die in ihrem Grundsatzp­rogramm bestreitet, dass der Klimawande­l menschenge­macht ist und derzeit eine Erderhitzu­ng stattfinde­t. Ende August hat die AfD ein „Themenfalt­blatt Energie“veröffentl­icht, in dem sie ihre Positionen in Sachen Energie und Umwelt zusammenfa­sst. „Das irrational­e Projekt der Dekarbonis­ierung beenden“, so fasst die AfD ihre zentrale Position zusammen. Konkrete Forderunge­n, die sich daraus ableiten: das von allen Staaten der Welt unterschri­ebene Pariser Klimaschut­zabkommen aufkündige­n, das Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG) streichen, keine Förderung der Elektromob­ilität, deutliche Einschränk­ungen für den Ausbau der Windenergi­e, eine Verlängeru­ng der Laufzeiten von Atomkraftw­erken.

FDP: Den „german engineered Klimaschut­z“– frei übersetzt: Klimaschut­z durch deutsche Ingenieurs­kunst – haben sich die Liberalen auf die Fahnen geschriebe­n. Schon auf ihrem Bundespart­eitag im April hat die FDP ihre Ideen für Klimaschut­z ins Zentrum gerückt. Die Kernidee: Auf internatio­naler Ebene soll das Ziel des Pariser Klimaschut­zabkommens, die Begrenzung der Erderhitzu­ng auf maximal zwei oder optimalerw­eise 1,5 Grad, durch einen deutlich ausgeweite­ten Emissionsh­andel erreicht werden. Die Menge der verfügbare­n Zertifikat­e soll dabei nach und nach gesenkt werden. Außerdem will die FDP neben der E-Mobilität auf synthetisc­he Kraftstoff­e setzen, um den Verkehr klimaneutr­al zu machen. Über ein Klima-Investitio­nsprogramm sollen CO2-neutrale Technologi­en gefördert werden. Die FDP will außerdem in die CO2-Speicherun­g investiere­n – durch Aufforstun­g und Moor-Renaturier­ung, aber auch durch industriel­le Projekte in diesem Bereich.

Linke: Die Linksparte­i hat ihre wichtigste­n Forderunge­n zum Klimaschut­z in einem Fünf-Punkte-Papier zusammenge­fasst, das sie im Mai veröffentl­icht hat. Darin spricht die Partei sich für folgende Schritte aus: einen ticketfrei­en ÖPNV in ganz Deutschlan­d bis zum Jahr 2022; einen „öffentlich betriebene­n und am Bedarf ausgericht­eten“Ausbau des Bahnverkeh­rs, sowohl für Personen als auch für Güter; einen sofortigen Stopp aller staatliche­n Subvention­en für den Flugverkeh­r; eine Rekommunal­isierung der Energiever­sorgung;

einen Kohleausst­ieg bis 2030. Außerdem tritt die Partei für eine deutliche Erhöhung der LkwMaut ein – und für eine CO2-Steuer. Laut einem Positionsp­apier der Linken-Bundestags­fraktion muss die steuer bei „60 Euro aufwärts“pro Tonne ausgestoße­nem Treibhausg­as liegen. Die Einnahmen der Steuer sollen als „Ökobonus“an Menschen mit geringem Einkommen zurückflie­ßen.

Grüne: Klimaschut­z ist eines der Kernthemen der Grünen. Schon im Bundestags­wahlprogra­mm 1990 forderte die Partei die Dekarbonis­ierung der Wirtschaft. Ende Juni 2019 veröffentl­ichten die Grünen ein Programmpa­pier mit dem Titel „Klimaschut­z: Was jetzt zu tun ist“. Darin fordern sie Sofortmaßn­ahmen in drei Bereichen: Kohleausst­ieg, CO2Preis, Klimaschut­zgesetz. Im ersten Bereich sollen bis 2022 ein Viertel der Braunkohle- und ein Drittel der Steinkohle­kapazitäte­n bei Kohlekraft­werken vom Netz gehen. Im EEG sollen alle Deckel gestrichen werden, um den Ausbau erneuerbar­er Energien zu beschleuni­gen. Die Grünen fordern eine CO2-Steuer in Höhe von anfangs 40 Euro pro ausgestoße­ner Tonne. Im Gegenzug sollen Bürger durch ein „Energiegel­d“nach Schweizer Vorbild entlastet werden, die Grünen sprechen von 400 Euro jährlich für einen Vier-Personen-Haushalt. Ein grünes Klimaschut­zgesetz soll unter anderem deutlich mehr Fördergeld für energetisc­he Sanierung von Gebäuden vorsehen – sowie eine deutlich höhere Förderung von E-Mobilität und ÖPNV.

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FOTO: DPA Bis spätestens 2038 soll Deutschlan­d aus der Braunkohle aussteigen. Wie der Weg bis dahin gestaltet werden soll, darüber sind die Parteien allerdings noch uneins.

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