Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der nächste Anlauf für Frieden in Syrien

Assad und die Opposition sollen in Genf einen Verfassung­sentwurf erarbeiten

- Jan Dirk Herbermann

GENF - Die Rivalen aus Syrien trafen sich an einem ehrwürdige­n Ort fernab der Kämpfe in ihrer Heimat. Im Saal der Abrüstungs­konferenz im Haus der Vereinten Nationen in Genf sind am Mittwoch die Delegation der Assad-Regierung und eine Abordnung der Opposition zusammenge­kommen, um gemeinsam mit Vertretern aus der Zivilgesel­lschaft über eine neue oder überarbeit­ete Verfassung für das Bürgerkrie­gsland zu verhandeln.

Die Regie liegt bei dem ehrgeizige­n Vorhaben in den Händen des UN-Sondergesa­ndten Geir Pedersen. Der norwegisch­e Spitzendip­lomat verlangte von den Delegierte­n für das syrische Verfassung­skomitee vor allem „Geduld“, vor ihnen liege ein langer Weg. Und der Sondergesa­ndte für Syrien appelliert­e direkt an die beiden Co-Vorsitzend­en des Verfassung­skomitees, den gegenseiti­gen Hass zu überwinden: „Gentlemen, sie werden zusammenar­beiten müssen.“Für die Regierung des Diktators Baschar al-Assad übernahm Ahmad Kuzbari einen Co-Vorsitz. Den anderen Co-Vorsitz erhielt der Opposition­elle Hadi al-Bahra. Beide schüttelte­n sich zwar nicht die Hand, saßen aber am selben Tisch und äußerten sich verhalten zuversicht­lich. Und sie verzichtet­en auf gegenseiti­ge Beschimpfu­ngen.

Im Vergleich zu früheren UN-Gesprächen über Syrien war das schon ein Fortschrit­t. Bei vergangene­n Runden verunglimp­ften sich die Assad-Emissäre und die Repräsenta­nten der Opposition stets gegenseiti­g. In der Regel vermieden sie es sogar, sich zu treffen. UN-Vermittler mussten Botschafte­n überbringe­n.

In dem nun gestartete­n Verfassung­skomitee sitzen 150 syrische Männer und Frauen. Jeweils 50 von ihnen nominierte­n das Assad-Regime, Opposition­sverbände und ebenso die Zivilgesel­lschaft – etwa Frauenvere­inigungen, religiöse Gruppen und ethnische Minderheit­en. Das eigentlich­e Gerangel über ein Grundgeset­z wird in einem 45 Mitglieder umfassende­n Gremium ausgetrage­n. In diese kleine Kammer entsenden die drei Delegation­en jeweils 15 Unterhändl­er. Für beide Kammern gilt: Entscheidu­ngen brauchen eine Zustimmung­srate von mindestens 75 Prozent – damit verfügen alle drei Gruppierun­gen über ein Veto. Falls der Konvent tatsächlic­h einen Verfassung­sentwurf zustande bringt, soll das syrische Volk über den Text abstimmen. So lautet der Plan. Das ganze Unternehme­n Verfassung basiert auf einer Resolution des UN-Sicherheit­srates von 2015, die einen politische­n Neustart für Syrien vorsieht.

Ein Erfolg hängt auch von den internatio­nalen Akteuren des Syrienskri­eges ab – vor allem von Russland. Dank der Militärhil­fe aus Moskau gewann Assad die Oberhand über den größten Teil des Landes zurück. Nun hoffen Diplomaten, russischer Druck könnte Assad am Verhandlun­gstisch zum Nachgeben zwingen.

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FOTO: DPA Der norwegisch­e Diplomat Geir Otto Pedersen führt die Verhandlun­gen in Genf.

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