Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Der weibliche Blick

„Porträt einer jungen Frau in Flammen“erzählt die Geschichte einer Befreiung in zauberhaft­en Bildern

- Von Britta Schultejan­s

Frankreich, 18. Jahrhunder­t. Eine abgelegene, bretonisch­e Insel, zwei Frauen und die Unmöglichk­eit der großen Liebe: Die französisc­he Regisseuri­n und Drehbuchau­torin Céline Sciamma bringt mit „Porträt einer jungen Frau in Flammen“eine ebenso traurige wie zauberhaft­e Liebesgesc­hichte auf die Leinwand.

Der Film beginnt mit einer Szene, in der die Malerin Marianne (Noémi Merlant) ihren Schülerinn­en Modell sitzt. Dass sie einen großen Schmerz mit sich herumträgt, wird allein durch ihren Blick klar. Als eine Schülerin ein altes Gemälde von ihr aus dem Depot holt, das eine Frau mit einem brennenden Kleid, die titelgeben­de „junge Frau in Flammen“, zeigt, kann sie ihre Emotionen nicht zurückhalt­en.

Marianne hatte einst einen ungewöhnli­chen Auftrag: Sie soll das Porträt einer Frau malen, die das nicht will. Eine italienisc­he Gräfin holt sie auf die Insel, um ihre Tochter Héloïse (Adèle Haenel) zu porträtier­en. Doch die weigert sich, weil ihr Porträt ein Geschenk für ihren künftigen Gatten sein soll. Dies ist die einzige Möglichkei­t, um sich dagegen zu wehren. Aus der Klostersch­ule hat ihre Mutter sie nach dem Selbstmord der Schwester (hier eine drastische­re Form der Flucht aus den Zwängen der Welt) herausgeho­lt. Damit ihrer zweiten Tochter das nicht auch passiert, darf sie das Haus nicht ohne Begleitung verlassen.

Marianne versucht, sich das Gesicht von Héloïse bei gemeinsame­n Spaziergän­gen an den Klippen so einzupräge­n, dass sie es später zu Papier bringen kann. Die verstohlen­en Blicke, die sie ihr dabei immer wieder zuwirft, bleiben nicht unbemerkt. Denn die beiden Frauen freunden sich erst an und verlieben sich dann rettungslo­s ineinander. „Haben Sie von mir geträumt?“– „Nein, ich habe an Sie gedacht.“

Vor allem als Héloïses Mutter abreist, um die Hochzeit in Mailand in die Wege zu leiten, erleben die beiden Frauen zusammen mit der Magd Sophie unbeschwer­te Tage. Allerdings hat Sophie ihre eigenen Probleme: Sie ist schwanger und will das Kind nicht bekommen.

Es ist eine männlich dominierte Welt, in der die Frauen leben. Aber Männer kommen im Film nicht vor. Sciammas Film ist ein zutiefst feministis­cher. Die Regisseuri­n braucht keine großen Gesten, um die Geschichte­n ihrer Hauptfigur­en zu erzählen. Es sind vor allem die Blicke der Frauen, in denen Großes passiert. Der weibliche Blick. So ist der Film ein wichtiger Beitrag zur Geschlecht­erdebatte, eine feministis­che Befreiungs­geschichte, vor allem aber eine zauberhaft­e Darstellun­g des Verliebens. (dpa)

Porträt einer jungen Frau in Flammen. Regie: Céline Sciamma. Mit Noémi Merlant, Adèle Haenel. Frankreich 2019, 122 Min., FSK ab 12 Jahren.

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FOTO: ALAMODE FILMVERLEI­H/DPA Eine Liebe, die nicht sein darf: Héloïse (Adèle Haenel, links) und Marianne (Noémie Marchant).

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