Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Der Erfinder gilt nichts im eigenen Land
Warum der Ravensburger Tüftler Rolf Schiller im Ausland erfolgreicher ist als in Deutschland
RAVENSBURG - Es ist umweltfreundlich, kostengünstig und daher eine gute Idee. Findet zumindest sein Erfinder, der Ravensburger Rolf Schiller. Dennoch hat sich das „Mehrkammer-Müllsystem“(kurz: Mekam) in Deutschland nicht durchgesetzt. Anders als in Australien, den USA, Skandinavien oder vielen holländischen Städten gibt es hierzulande nur eine Tonne beziehungsweise einen Sack für jede Sorte Müll. Diese wird dann von unterschiedlichen Müllautos zu unterschiedlichen Zeiten abgeholt. „Wozu dieser Quatsch?“, fragt sich der 77-jährige Maschinenbau-Ingenieur, der nach eigener Schätzung schon 100 Patente angemeldet hat. Er hat jetzt Landrat Harald Sievers angeschrieben, ob der Landkreis Ravensburg sein System nicht testen könne.
Rolf Schiller zeigt stolz die von ihm erfundene Tonne, die in vielen Ländern zum Einsatz kommt und mit der er gutes Geld verdient hat. Aber eben nicht in seinem Heimatland. Etwas größer als eine normale Mülltonne, ist sie in der Mitte durch eine Trennwand in zwei Hälften aufgeteilt. Damit kann man beispielsweise links Restmüll, rechts Biomüll sammeln. Oder links Papier, rechts Verpackungsmüll. Oder eine andere Kombination. Dazu passend, müssen dann natürlich auch die Abfallwagen entsprechend zweigeteilt sein, um die unterschiedlichen Müllsorten sauber voneinander zu trennen, bevor die Abfälle verbrannt oder recycelt werden. Ein entsprechendes Fahrzeug hat Schiller ebenfalls konzipiert.
Die Vorteile lägen auf der Hand: Kürzere Strecken für die Müllfahrzeuge schonen die Umwelt – schließlich wären sie schneller voll, wenn sie gleich zwei Sorten von Abfall gleichzeitig, also zum Beispiel Restmüll und Biomüll, abholen würden. Dadurch ließe sich Geld für den Gebührenzahler sparen. Schiller schätzt, dass die Müllgebühren um etwa ein Viertel reduziert werden könnten mit seinem System. „Einen sehr hohen Anteil der Kosten verursacht – insbesondere in unserem Flächenkreis – die personalintensive Sammlung. Hier liegt bei der Mehrfachabfuhr
(zumindest Restmüll, Biomüll) ein Einsparpotenzial vor, das auch infolge geringeren Treibstoffverbrauchs der Umwelt zugutekäme, wenn man Zweikammer-Müllwagen verwenden würde“, heißt es in Schillers Schreiben an Landrat Sievers.
Gleichzeitig fürchtet er, dass die Müllverwertungsunternehmen kein großes Interesse an seiner Erfindung haben, die ihm bereits 1975 eingefallen ist. „Die Müllmafia will Geld verdienen, wo es nur möglich ist“, sagt der 77-Jährige, der lange Zeit bei Dornier gearbeitet hat, bevor er sich selbstständig machte. Über seine Erfahrungen mit der Branche hat er vor zwei Jahren ein Buch veröffentlicht: „Kabale um Hausmüll“beschreibt, welche Steine dem „Vater der getrennten Hausmüllsammlung“, wie er sich selbst nennt, in den Weg gelegt wurden.
Es gibt aber auch Kommunen, die das Mekam-System zwar eingeführt haben, aber wieder davon abgekommen sind, weil es auch Nachteile zu haben scheint. Zum Beispiel der Bezirk Amstetten in Österreich. 2017 kehrte der regionale Dienstleistungsverband GDA (GemeindeDienstleistungsverband Region
Amstetten für Umweltschutz und Abgaben) wieder zu getrennten Restmüll- und Biotonnen zurück. Denn offenbar haben die Amstettener öfter mal ihren Müll in die falsche Tonnenhälfte geworfen. „Bei einer Tonne ist es einfacher möglich, etwas falsch einzuwerfen. Zudem fällt bei einer vollen Kammer der Müll auf die andere Seite der Tonne. Eine schlechtere Qualität des gesammelten Materials macht die Wiederverwertung schwieriger und kostet unter dem Strich mehr Geld“, äußert sich der zustände Obmann Anton Kasser auf der Homepage des Dienstleistungsverbands.
Landrat Sievers hat auf Schillers E-Mail noch nicht reagiert. „Experten sagen uns aber, dass das nicht so einfach ist“, sagt der für Abfall zuständige Dezernent des Landratsamtes, Franz Baur. Schiller meint hingegen, dass ein Test kaum etwas kosten würde und daher nicht schaden kann. Und danach könnte man immer noch sehen, ob die Menschen wirklich zu dumm sind, um die Tonne richtig zu befüllen.
Derweil arbeitet er an weiteren Erfindungen, die nichts mit Müll zu tun haben. Nach dem „Jackenbutler“, einem hosenträgerartigen Gebilde, mit dem sich Jacken beim Wandern, Biken oder Langlauf-Skifahren bequem umhängen lassen, wenn einem zu heiß wird, hat Schiller den „Gartenbutler“ersonnen, der das bequeme Aufstellen von Gartenhacken ermöglicht, sodass man sich nicht ständig danach bücken muss. Der „Jackenbutler“ist bereits in Produktion und kann gekauft werden. Bis eine Idee zum Patent wird, dauert es aber in der Regel anderthalb Jahre – und ganz billig ist der Prozess auch nicht, da der Erfinder praktisch immer in Vorkasse treten muss, bevor er mit seiner Idee Geld verdienen kann. Darum geht es dem 77-jährigen Tüftler nach eigenem Bekunden nicht mehr. Er will den Menschen das Leben einfach leichter machen – ob nun in der Freizeit oder bei der Müllabfuhr.
Rolf Schiller ist auch Vorsitzender des Erfinderclubs Allgäu-Oberschwaben. Die Mitglieder treffen sich einmal monatlich in Kißlegg, um streng vertraulich über ihre Ideen zu reden. Rolf Schiller ist per E-Mail an multirec@t-online zu erreichen.