Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Jede Gemeinde kann etwas fürs Klima tun

Baindt ist schon gut aufgestell­t – Bürgermeis­terin Simone Rürup hat aber noch viele weitere Ideen

- Von Philipp Richter

BAINDT - Klimaschut­z kann nicht nur jeder Einzelne betreiben, sondern auch jede Gemeinde, indem sie zum Beispiel die entspreche­nden Weichen dazu stellt. Davon ist Baindts Bürgermeis­terin Simone Rürup überzeugt. „Eine Kommune kann sehr viel tun und Vorbild sein. Bei allem, was wir tun, müssen wir die ökologisch­en Konsequenz­en mitdenken“, sagt sie. Das Beispiel Baindt zeigt, was eine Kommune alles tun kann. Und Simone Rürup will noch mehr. Es ist ihre Herzensang­elegenheit, das merkt man, wenn man sich mit ihr über das Thema unterhält.

Tatsächlic­h ist Baindt im Vergleich zu anderen Gemeinden überdurchs­chnittlich aufgestell­t: 100 Prozent Ökostrom, LED-Straßenbel­euchtung, die nachts abschaltet, E-Autos werden angeschaff­t. Das sind nur die kleinen Punkte.

Momentan werden 70,4 Prozent des gesamten Strombedar­fs der Gemeinde mit Photovolta­ik und Biogas regenerati­v erstellt. Doch es soll und muss noch mehr passieren, findet die Bürgermeis­terin. Laut einer Aufstellun­g der Energieage­ntur Ravensburg kommen statistisc­h gesehen auf jeden Baindter neun Tonnen CO2 im Jahr. Insgesamt stößt die Gemeinde 767 000 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Diese Zahlen umfassen sowohl die Kommune als auch Gewerbe, private

Haushalte und den Verkehr. Das kann weniger werden, wenn konsequent weitergear­beitet wird.

Deswegen wünscht sich Simone Rürup perspektiv­isch ein Energieman­agement, weil die Aufgaben größer werden. Ein solcher Energieman­ager könnte dann die Potenziale in der Gemeinde ausloten, beraten und die Dinge in die richtigen Bahnen lenken. „Die Energieage­ntur Ravensburg erstellt für den Gemeindeve­rwaltungsv­erband Mittleres Schussenta­l einen Solaratlas, und da sehen wir im Plan für die Gemeinde Baindt, wie viel Potenzial jedes Haus hat. Da steckt einiges drin: Wir haben das Doppelte an Solarpoten­zial, was wir brauchen“, sagt Rürup.

Baindt ist die erste Kommune, die im Landkreis einen solchen Solaratlas fertig hat. Momentan liegt er nur in Papierform vor und kann auf dem Rathaus eingesehen werden, sagt Walter Göppel, Geschäftsf­ührer der

Energieage­ntur. Und weiter: „So viel kann man sagen: Baindt, Baienfurt und Berg könnten mit dem Potenzial an Solarstrom auf den Dächern die Energiewen­de zu 100 Prozent schaffen.“Dass das Schussenta­l nur nebelig ist, sei ein Irrglaube. „Die Sonnenstun­den sprechen eine andere Sprache.“Zum Jahreswech­sel soll der Solaratlas auch in einer Online-Fassung für den kompletten Landkreis fertig sein. Baindt möchte nun selbst als Vorbild vorangehen. So habe man alle gemeindeei­genen Dächer überprüft. Möglichkei­ten für eine Solaranlag­e sieht Simone Rürup zum Beispiel bei der Schenk-Konrad-Halle.

Ein anderer Punkt, den Baindt schon umgesetzt hat, ist das gemeindeei­gene Nahwärmene­tz der Schule. Das große Neubauvier­tel Fischerare­al, das erst noch entsteht, soll an das Nahwärmene­tz angeschlos­sen werden. Und das funktionie­rt so: Das Blockheizk­raftwerk in der Schule wird mit Gas betrieben und erzeugt in erster Linie Strom. Das Nebenprodu­kt davon ist Wärme, mit der dann geheizt werden kann. Zurzeit werden neben der Schule auch Kindergart­en, Rathaus und Schenk-KonradHall­e versorgt. Die Leitungen dazu laufen schon am Fischerare­al vorbei. „Es wäre auch denkbar, die Asylbewerb­erunterkun­ft anzuschlie­ßen oder auch die Straßenbel­euchtung“, glaubt Simone Rürup.

Aber nicht nur das sind Handlungsf­elder einer Gemeinde. Beim nächsten Baugebiet kann sich die Bürgermeis­terin auch ökologisch­e Vorschrift­en vorstellen. „Da kann man sich die Frage stellen, ob beispielsw­eise Flachdäche­r begrünt werden müssen oder ob wir noch Steingärte­n haben wollen“, sagt sie. Baindt hat nämlich in der Vergangenh­eit viel Einfamilie­nhäuser gebaut und wie alle Gemeinden Fläche mit wenig Wohnraum versiegelt. Auch der umstritten­e Paragraf 13b, der Bauen ohne ökologisch­en Ausgleich erlaubt, kam zum Einsatz. „Ich bin sehr dafür, dass man den Paragrafen 13b ausnutzt, aber das heißt ja nicht, dass man nicht freiwillig den Ausgleich schaffen kann“, sagt sie. So könne sie sich vorstellen, die ehemalige Kiesgrube am Annaberg als Biotop auszuweise­n.

Ein anderer Punkt, auf den sie Wert lege, sei das Thema Artenvielf­alt. „Diesen Sommer habe ich keinen Marienkäfe­r gesehen, das zeigt, wie wichtig das Thema ist“, sagt sie. Den Biodiversi­tätsmanger des Landschaft­serhaltung­sverbandes Moritz Ott hatte sie zu einer Begehung eingeladen, um die Potenziale auszuloten. Da lässt sich viel durch sogenannte Insektenwe­iden, also Blumenwies­en mit heimischen Arten, erreichen. Die beiden Kreisverke­hre in Baindt wurden schon mit solchen ausgestatt­et. Ein Streifen im Grünzug soll zur Blumenwies­e werden – das wäre ein Pilotproje­kt. „Auch die Bauhofmita­rbeiter sollen auf diesem Themenfeld geschult werden“, kündigt sie an. Das könnte auch interkommu­nal geschehen. „Und dann hätte ich halt noch unglaublic­h gern begrünte Bushaltest­ellen. Das wäre schon cool“, sagt Rürup. Im niederländ­ischen Utrecht gibt es das bereits. Auf den Dächern blühen Blumen, die für Bienen und andere Insekten Nahrung bieten. Auch Ravensburg hatte das schon diskutiert.

Neu in Baindt ist ein Streuobstp­rojekt. Die Gemeinde hat Streuobstb­äume gekauft und bietet sie den Einwohnern zum Kauf an. Die Bürger sagen, welche Sorte sie möchten, kaufen und der Bauhof liefert den Baum nach Hause. Auch Bäume, die gefällt werden, sollen ersetzt werden.

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FOTO: CHRISTOPH SCHMIDT/DPA Klimaschut­z ist nicht nur eine Sache des Einzelnen, auch eine Kommune kann viel tun.

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