Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Jede Gemeinde kann etwas fürs Klima tun
Baindt ist schon gut aufgestellt – Bürgermeisterin Simone Rürup hat aber noch viele weitere Ideen
BAINDT - Klimaschutz kann nicht nur jeder Einzelne betreiben, sondern auch jede Gemeinde, indem sie zum Beispiel die entsprechenden Weichen dazu stellt. Davon ist Baindts Bürgermeisterin Simone Rürup überzeugt. „Eine Kommune kann sehr viel tun und Vorbild sein. Bei allem, was wir tun, müssen wir die ökologischen Konsequenzen mitdenken“, sagt sie. Das Beispiel Baindt zeigt, was eine Kommune alles tun kann. Und Simone Rürup will noch mehr. Es ist ihre Herzensangelegenheit, das merkt man, wenn man sich mit ihr über das Thema unterhält.
Tatsächlich ist Baindt im Vergleich zu anderen Gemeinden überdurchschnittlich aufgestellt: 100 Prozent Ökostrom, LED-Straßenbeleuchtung, die nachts abschaltet, E-Autos werden angeschafft. Das sind nur die kleinen Punkte.
Momentan werden 70,4 Prozent des gesamten Strombedarfs der Gemeinde mit Photovoltaik und Biogas regenerativ erstellt. Doch es soll und muss noch mehr passieren, findet die Bürgermeisterin. Laut einer Aufstellung der Energieagentur Ravensburg kommen statistisch gesehen auf jeden Baindter neun Tonnen CO2 im Jahr. Insgesamt stößt die Gemeinde 767 000 Tonnen CO2 pro Jahr aus. Diese Zahlen umfassen sowohl die Kommune als auch Gewerbe, private
Haushalte und den Verkehr. Das kann weniger werden, wenn konsequent weitergearbeitet wird.
Deswegen wünscht sich Simone Rürup perspektivisch ein Energiemanagement, weil die Aufgaben größer werden. Ein solcher Energiemanager könnte dann die Potenziale in der Gemeinde ausloten, beraten und die Dinge in die richtigen Bahnen lenken. „Die Energieagentur Ravensburg erstellt für den Gemeindeverwaltungsverband Mittleres Schussental einen Solaratlas, und da sehen wir im Plan für die Gemeinde Baindt, wie viel Potenzial jedes Haus hat. Da steckt einiges drin: Wir haben das Doppelte an Solarpotenzial, was wir brauchen“, sagt Rürup.
Baindt ist die erste Kommune, die im Landkreis einen solchen Solaratlas fertig hat. Momentan liegt er nur in Papierform vor und kann auf dem Rathaus eingesehen werden, sagt Walter Göppel, Geschäftsführer der
Energieagentur. Und weiter: „So viel kann man sagen: Baindt, Baienfurt und Berg könnten mit dem Potenzial an Solarstrom auf den Dächern die Energiewende zu 100 Prozent schaffen.“Dass das Schussental nur nebelig ist, sei ein Irrglaube. „Die Sonnenstunden sprechen eine andere Sprache.“Zum Jahreswechsel soll der Solaratlas auch in einer Online-Fassung für den kompletten Landkreis fertig sein. Baindt möchte nun selbst als Vorbild vorangehen. So habe man alle gemeindeeigenen Dächer überprüft. Möglichkeiten für eine Solaranlage sieht Simone Rürup zum Beispiel bei der Schenk-Konrad-Halle.
Ein anderer Punkt, den Baindt schon umgesetzt hat, ist das gemeindeeigene Nahwärmenetz der Schule. Das große Neubauviertel Fischerareal, das erst noch entsteht, soll an das Nahwärmenetz angeschlossen werden. Und das funktioniert so: Das Blockheizkraftwerk in der Schule wird mit Gas betrieben und erzeugt in erster Linie Strom. Das Nebenprodukt davon ist Wärme, mit der dann geheizt werden kann. Zurzeit werden neben der Schule auch Kindergarten, Rathaus und Schenk-KonradHalle versorgt. Die Leitungen dazu laufen schon am Fischerareal vorbei. „Es wäre auch denkbar, die Asylbewerberunterkunft anzuschließen oder auch die Straßenbeleuchtung“, glaubt Simone Rürup.
Aber nicht nur das sind Handlungsfelder einer Gemeinde. Beim nächsten Baugebiet kann sich die Bürgermeisterin auch ökologische Vorschriften vorstellen. „Da kann man sich die Frage stellen, ob beispielsweise Flachdächer begrünt werden müssen oder ob wir noch Steingärten haben wollen“, sagt sie. Baindt hat nämlich in der Vergangenheit viel Einfamilienhäuser gebaut und wie alle Gemeinden Fläche mit wenig Wohnraum versiegelt. Auch der umstrittene Paragraf 13b, der Bauen ohne ökologischen Ausgleich erlaubt, kam zum Einsatz. „Ich bin sehr dafür, dass man den Paragrafen 13b ausnutzt, aber das heißt ja nicht, dass man nicht freiwillig den Ausgleich schaffen kann“, sagt sie. So könne sie sich vorstellen, die ehemalige Kiesgrube am Annaberg als Biotop auszuweisen.
Ein anderer Punkt, auf den sie Wert lege, sei das Thema Artenvielfalt. „Diesen Sommer habe ich keinen Marienkäfer gesehen, das zeigt, wie wichtig das Thema ist“, sagt sie. Den Biodiversitätsmanger des Landschaftserhaltungsverbandes Moritz Ott hatte sie zu einer Begehung eingeladen, um die Potenziale auszuloten. Da lässt sich viel durch sogenannte Insektenweiden, also Blumenwiesen mit heimischen Arten, erreichen. Die beiden Kreisverkehre in Baindt wurden schon mit solchen ausgestattet. Ein Streifen im Grünzug soll zur Blumenwiese werden – das wäre ein Pilotprojekt. „Auch die Bauhofmitarbeiter sollen auf diesem Themenfeld geschult werden“, kündigt sie an. Das könnte auch interkommunal geschehen. „Und dann hätte ich halt noch unglaublich gern begrünte Bushaltestellen. Das wäre schon cool“, sagt Rürup. Im niederländischen Utrecht gibt es das bereits. Auf den Dächern blühen Blumen, die für Bienen und andere Insekten Nahrung bieten. Auch Ravensburg hatte das schon diskutiert.
Neu in Baindt ist ein Streuobstprojekt. Die Gemeinde hat Streuobstbäume gekauft und bietet sie den Einwohnern zum Kauf an. Die Bürger sagen, welche Sorte sie möchten, kaufen und der Bauhof liefert den Baum nach Hause. Auch Bäume, die gefällt werden, sollen ersetzt werden.