Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
In der Ruhe liegt die Kraft
Handball-Nationalspieler Martin Strobel geht sein Comeback behutsam an – „EM noch ganz weit weg“
BALINGEN (dpa) - Auf den ersten Blick sieht es nach dem perfekten Zeitpunkt aus: Neun Monate nach seiner schweren Knieverletzung bei der Heim-WM steht Nationalspieler Martin Strobel vor seinem Comeback in der Handball-Bundesliga. Am Sonntag (16 Uhr/Sky) bei GWD Minden soll der Rückraumstratege von Aufsteiger HBW Balingen-Weilstetten erstmals wieder spielen. 67 Tage danach startet die deutsche Nationalmannschaft in die Europameisterschaft. Reicht doch locker, um wieder komplett fit zu werden – oder?
„Die Zeitspanne bis zur EM ist in meinen Augen sehr kurz“, findet Strobel. Am 21. Januar hatte der 33-Jährige sich beim Hauptrundenspiel gegen Kroatien einen Kreuz- und Innenbandriss im linken Knie zugezogen. Die 19 250 in der Kölner Arena waren für einen kurzen Moment ungewöhnlich leise, als Strobel mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden lag.
Monatelang arbeitete der Routinier an seinem Comeback. Er schuftete im Kraftraum, traf sich mit Ärzten und nahm sich die Zeit, die er brauchte. Nun soll er genauso behutsam wieder an den Spielbetrieb herangeführt werden. Es stellt sich nur die Frage, ob Strobel tatsächlich noch so viel Zeit bleibt. Denn die Verletzungsprobleme auf der Rückraum-Mitte-Position seien derzeit „wahnsinnig“, hatte Bundestrainer Christian Prokop erst am vergangenen Samstag gesagt. Dem für die EM eingeplanten Simon Ernst droht nach seinem dritten Kreuzbandriss im Alter von 25 Jahren das Karriereende, Tim Suton fällt mit der gleichen Verletzung lange aus. Darum teilen sich derzeit die eigentlich auf den Halbpositionen beheimateten Paul Drux und Fabian Wiede die Aufgabe des Spielmachers in der deutschen Auswahl. Je näher die EM rückt, desto größer wird die Sehnsucht
nach einem klassischen Regisseur wie Strobel. „Ich weiß, dass die EM genau ein Jahr nach seiner schweren Verletzung kommen würde. Das wissen wir, dass es medizinisch alles möglich ist“, sagte Prokop. Gleichzeitig war der 40-Jährige bemüht, keinen Druck auf Strobel aufzubauen, der für ihn bei entsprechender Fitness ein „entscheidender Mann ist: Wir müssen ihm die Zeit geben.“
Bei der teils begeisternden Weltmeisterschaft im Januar war erst nach Martin Strobels Ausfall richtig klar geworden, welche Bedeutung ihm zukam. „Ich bin mir sicher, dass wir mit ihm eine Medaille gewonnen hätten“, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Es ehre ihn, so etwas zu hören, sagt Martin Strobel. Er redet mit ruhiger Stimme, genau diese Ruhe will er auch bei der Rückkehr auf die Platte walten lassen. „Der nächste Schritt ist erst mal die Integration in die Spiele, was eine ganz andere Belastung für Knie und Kopf ist. Von daher ist die EM gerade noch ganz weit weg.“