Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Die Mobilitätswende hat gerade erst angefangen
Städte und Firmen setzen auf E-Mobilität – Ausbau von Ladepunkten und E-Bike-Leihstationen
RAVENSBURG - Das Interesse an E-Mobilität wächst deutlich. Das Thema ist in aller Munde, und auch die Verkaufszahlen von E-Bikes und E-Autos nehmen zu – auch in der Region.
Dass Alternativen zu Verbrennungsmotoren im Trend liegen, zeigt auch ein Blick auf die Statistik des Landratsamtes Ravensburg. Gab es 2013 nur zehn Firmenfahrzeuge mit Elektroantrieb im Kreis Ravensburg, waren zum Stichtag 30. Juni 2019 schon 192 zugelassen. Bei den Privatwagen stieg der Bestand im gleichen Zeitraum von sechs auf 368. Auch die Zahl der Neuzulassungen nimmt kontinuierlich zu. Noch größer ist die Zahl der Hybridfahrzeuge im Kreis Ravensburg. Davon gab es am 30. Juni 2019 fast 1600 Autos.
Die Deutsche Post hat bundesweit rund 10 000 sogenannte Streetscooter im Einsatz. Das sind elektrisch betriebene Kleintransporter, die für die Brief- und Paketzustellung genutzt werden. Bis 2025 will die Post 70 Prozent ihres Fuhrparks auf emissionsfreie Fahrzeuge umstellen. Derzeit sind neben den Scootern auch 12 000 E-Bikes und E-Trikes im Einsatz.
„Unser Zustellstützpunkt in Ravensburg ist inzwischen vollständig mit Ladesäulen ausgestattet“, berichtet Carolin Oelsner von der Pressestelle Süd der Deutsche Post DHL Group. „Derzeit sind 22 Streetscooter Work L im Raum Ravensburg im Einsatz, zwei weitere Streetscooter Work L und zusätzlich noch sieben Streetscooter Work XL – für die reine Paketzustellung – werden demnächst in Betrieb genommen.“Die Zustellerinnen und Zusteller seien sehr zufrieden mit den Fahrzeugen. Auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht sei der Umstieg von DieselFahrzeugen auf Streetscooter sinnvoll: „Sie amortisieren sich trotz leicht höherer Anschaffungskosten zügig in den ersten Betriebsjahren.“
Aber nicht nur die Post, auch andere Unternehmen in der Region beschäftigen sich mit dem Thema EMobilität. „Die Unternehmen ergreifen zahlreiche Maßnahmen angesichts der Veränderungen in Energiewirtschaft und -politik. Mittlerweile haben nur noch zhn Prozent der Unternehmen hier nichts unternommen oder geplant“, berichtet Stefan Kesenheimer, Referent für Umwelt und Energie bei der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben. „Für mehr als die Hälfte der Unternehmen aus Baden-Württemberg ist die Anschaffung von Elektrofahrzeugen bereits realisiert oder eine geplante Maßnahme, Gleiches gilt für den Aufbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge.“Die Zahlen in Oberschwaben seien praktisch identisch. Hemmend bei der angedachten Umrüstung einer Fahrzeugflotte seien für Firmen „komplizierte und bürokratische Verfahren“beim Betrieb von Ladesäulen sowie die Tatsache, dass oftmals größere Nutzfahrzeuge für längere Strecken im Einsatz seien: „Dies ist mit Elektrofahrzeugen meist nicht wirtschaftlich abbildbar.“
Auch in den öffentlichen Personenverkehr in Ravensburg hält E-Mobilität demnächst Einzug.
Mit Beginn des Christkindlesmarktes wird ein kostenloser, elektrisch betriebener Kleinbus den Marienplatz mit dem Bahnhof verbinden. Diese Strecke wird von Montag bis Samstag im 15-Minutentakt befahren. Über eine Erweiterung dieser Strecke bis zum GänsbühlCenter wird im Verkehrskonzept der Stadtverwaltung bereits nachgedacht.
Dennoch sagt der Ravensburger Bau- und Umweltbürgermeister Dirk Bastin aber auch: „Die Mobilitätswende, völlig unabhängig von der EMobilität, ist bei uns noch nicht angekommen.“Die Begründung: „Busfahren ist für viele, insbesondere im ländlichen Raum mit mäßigen Verbindungen, zu beschwerlich. Fahrradfahren gewinnt an Bedeutung, hier sind aber die Kommunen mit der Infrastruktur vielfach noch in der Bringschuld. Deshalb spielt das Auto, vor allem mit Verbrennungsmotor, noch eine so große Rolle im ländlichen Raum.“
Die Stadt Ravensburg arbeitet aber an der Mobiliätswende. „Bei den Fahrzeugen der städtischen Verwaltung werden in 2020 fast alle Fahrzeuge auf E-Mobilität umgestellt sein“, sagt Bastin. Größere Herausforderungen gebe es bei der Umstellung von Ortsbauhöfen und Betriebshof sowie bei der Feuerwehr.
Mittlerweile gibt es in Ravensburg öffentlich nutzbare E-Ladestationen für Autos in der Marktstraße, am Bahnhof, in der Charlottenstraße, in der Weststadt, am Goetheplatz, beim Landratsamt, beim Krankenhaus und bei einigen Nahversorgern. Diese Zahl wird steigen. Dirk Bastin: „In Kürze werden in der Marienplatztiefgarage 34 Ladestationen und in den Parkhäusern Rauenegg, Bahnstadt und Oberamtei weitere 30 Ladestationen eingerichtet.“Auch in den Ortschaften und an den Schulen sollen schon bald Ladestationen entstehen.“Die vorhandenen Stromtankstellen würden „teilweise schon sehr gut“angenommen.
Nach Informationen des ZweiradIndustrie-Verbands gibt es in Deutschland 75 Millionen Fahrräder, davon 4,5 Millionen E-Bikes. Für 2019 rechnet die Industrie mit einer Zunahme der E-Bike-Verkäufe um rund zwölf Prozent.
Die Stadtverwaltung setzt daher auch auf den Ausbau der E-Bike-Infrastruktur. Am Bahnhof gibt es dafür eine Teststation, wo Elektrofahrräder ausgeliehen werden können. Eine Station allein mache aber keinen Sinn, so der Bürgermeister: „Erst mit dem geplanten Ausbau der Stationen im kommenden Jahr und mit der dann zu nutzenden App wird dieses System den kommerziellen Betrieb aufnehmen.“Mindestens 16 weitere Stationen sollen in den kommenden zwei Jahren entstehen.
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