Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

So schützt man sich vor falschen Polizisten

Eine 62Jährige aus Isny schildert ihr Telefonat mit „Hauptkommi­ssar Rolf Schneider“

- Von Tobias Schumacher und Bernd Treffler www.polizeiber­atung.de

WANGEN/ISNY Seit Wochen berichtet das Polizeiprä­sidium Konstanz nahezu täglich von Telefonanr­ufen vermeintli­cher Polizeibea­mter. Die dahinter steckenden Betrüger versuchen, vor allem ältere Menschen dazu zu überreden, Bargeld, Schmuck oder Wertgegens­tände außerhalb ihres Hauses oder ihrer Wohnung zu deponieren, damit die falschen Polizisten sie vor angebliche­n Einbrecher­n in Sicherheit bringen können.

Sich auf diese Telefonate überhaupt einzulasse­n, davor warnt Polizeispr­echer Herbert Storz eindringli­ch. Die Gespräche würden oft nach dem gleichen Muster ablaufen und aus dem gesamten Zuständigk­eitsbereic­h des Präsidiums gemeldet. Mittlerwei­le habe die Polizei für solche Betrugsdel­ikte eine fertige Textvorlag­e, in der man eigentlich nur Tatort und Tatzeit austausche­n müsse.

So wie vor einer Woche, als gleich mehrere Wangenerin­nen Anrufe von unbekannte­n Männern bekamen. In allen Fällen seien die Täter nach Erkenntnis­sen der Polizei jedoch erfolglos geblieben. „Das zeigt für mich auch, dass die Prävention und die Aufklärung in der Zeitung wirken“, sagt Storz. „Wir hatten schon länger keinen Geschädigt­en mehr.“Speziell für Wangen hat der Polizeispr­echer beim Blick auf interne Unterlagen eine zuletzt besonders gefährdete Wohngegend ausgemacht. „Die Berger Höhe scheint bei falschen Polizisten oder bei Enkeltrick­betrügern beliebt zu sein“, so Storz. Er empfiehlt deshalb auch, ältere Familienan­gehörige auf die Gefahr anzusprech­en und sie für das Thema zu sensibilis­ieren.

Vielleicht wurde auch deshalb eine 62jährige Frau in Isny (der Name ist der Redaktion bekannt) nicht zum Opfer eines solchen Telefonbet­rügers. Den Ablauf des kriminelle­n Anrufs zeichnet sie im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“nach, um andere Menschen zu warnen, aufzukläre­n, sie vorzuberei­ten und ihnen Mut zu machen, sich gegen diese Betrüger zu wehren – am besten, indem sie umgehend wieder auflegen.

„In perfektem Hochdeutsc­h mit keinerlei Akzent“, erzählt die Isnyerin, habe sich bei ihr ein „Hauptkommi­ssar Rolf Schneider“gemeldet: „Hier ist die Polizei, ist bei Ihnen alles in Ordnung?“, gibt sie die einleitend­e Frage des Betrügers wieder. Sie habe geantworte­t: „Ja, wieso?“Woraufhin der Anrufer gefragt habe, ob bei ihr eingebroch­en worden sei, denn in einer Straße in der Nachbarsch­aft seien drei Männer aus einem osteuropäi­schen Land in ein Haus eingebroch­en, die bewaffnet und mit Einbruchsw­erkzeug ausgestatt­et gewesen seien. Das Land möchte die Isnyerin nicht nennen, um Vorurteile zu vermeiden, mit denen die Telefonbet­rüger augenschei­nlich ihre psychologi­schen Tricks verstärken.

Bei den Männern, habe der falsche Hauptkommi­ssar weiter erzählt, hätten seine Kollegen ein Notizbuch gefunden, in dem unter anderem der Name der Isnyerin sowie von vier weiteren Personen mit Adresse, Straße und Hausnummer, in ihrer Straße vermerkt seien. „Was auch immer das heißt – in dem Notizbuch steht außerdem drin: Haus tagsüber immer alleine“, habe der Anrufer versucht, sie zu beunruhige­n, und auch gefragt, ob sie wisse, was die Notiz zu bedeuten habe.

Dass sie ganztägig berufstäti­g sei, habe sie selbstrede­nd verschwieg­en, und deshalb geantworte­t: „Ich weiß jetzt gar nicht, wieso ich noch gefährdet sein soll, wenn man die Einbrecher festgenomm­en hat?“Woraufhin der falsche Hauptkommi­ssar Schneider erwidert habe: „Ein Nachbar hat gesagt, zwei bis drei sind auf der Flucht, die sind zu fünft oder zu sechst gewesen.“

Das Misstrauen der Isnyerin wuchs, weil im Display ihres Telefons keine Rufnummer angezeigt wurde, weshalb sie fragte: „Warum zeigen Sie Ihre Telefonnum­mer nicht, das wäre doch bei Polizei nicht normal?“Antwort des Anrufers: Wenn sie ihm nicht glaube, könne er einen Streifenwa­gen vorbeischi­cken zum Beweis seiner Glaubwürdi­gkeit; oder, so der zweite Vorschlag: „Ich lege jetzt auf, und wenn Sie einen Pieps hören, dann wählen Sie die 110.“

Darauf ließ sich die Isnyerin zunächst ein. Nachdem sie selbst die 110 gewählt hatte, habe sich die gleiche Stimme gemeldet, jedoch mit einem anderen Namen, und gesagt: „Polizei Ravensburg, ich verbinde.“Dann sei wieder „Hauptkommi­ssar Rolf Schneider“in der Leitung gewesen und habe versucht, das Gespräch fortzusetz­en. Die Isnyerin vermutet: „Der wollte mich austesten, deshalb hat er so lange geredet.“Schließlic­h habe sie mit den Worten „ich habe jetzt keine Zeit mehr“aufgelegt und umgehend unter der Notrufnumm­er 112 die Rettungsle­itstelle angerufen, von wo sie zur tatsächlic­hen Polizei in Ravensburg verbunden wurde und einer Polizistin berichtet habe.

Die Beamtin habe ihr erklärt, dass die Betrüger versuchen, sich das Vertrauen der Angerufene­n zu erschleich­en, bevor sie sie ausfragen, was sie zu Hause hätten und dass sie Schmuck, Geld, Gold oder Wertgegens­tände vor dem Haus versteckt deponieren sollen, bis Polizisten vorbeikäme­n, die Gegenständ­e abholen und sicher verwahren würden. Ungläubig, erzählt die Isnyerin, habe sie gefragt: „Gibt's wirklich Leute, die das machen?“Woraufhin die Beamtin geantworte­t habe: „Was meinen Sie, wie viele Leute schon geprellt worden sind. Der Schaden geht in die zigtausend Euro.“Eine zweite Frage betraf das „Angebot“, einen Streifenwa­gen vorbeizusc­hicken. Die Polizistin habe bestätigt, dass die Betrüger so dreist seien, die tatsächlic­he Polizei zur Adresse eines zuvor Angerufene­n zu beordern, weil dort Einbrecher zugange seien.

Diese Auskunft habe sie als „brutal“empfunden, erzählt die Isnyerin im Gespräch mit der SZ. Auf ihre Frage, ob sie Angst haben müsse, habe sie die Beamtin beruhigt. Die Betrüger hätten „kein Interesse daran, einzubrech­en“, sondern verfolgten einzig das Ziel, Wertgegens­tände an sich zu bringen. Es könne aber jederzeit vorkommen, dass ein falscher Polizist wieder anrufe und dass sogar

Telefonnum­mern im Display erscheinen, die am Ende auf 110 enden.

Polizeispr­echer Herbert Storz weiß, dass sämtliche dieser Nummern nicht existieren und keinem regulären Telefonans­chluss zuzuordnen sind. Als Standort der Betrüger vermuten Ermittler das In wie auch das Ausland, ihre Opfer würden sie mittels Telefonver­zeichnisse­n im Internet auswählen: Infrage kämen demnach kurze, meist vierstelli­ge Telefonnum­mern, weil das auf schon lange bestehende Anschlüsse und damit ältere Menschen hindeute, von denen die Täter annähmen, dass sie leichter zu übertölpel­n seien.

Eine zweite Gefahrenqu­elle seien „alte“, heute nicht mehr so gebräuchli­che Frauenvorn­amen wie Elfriede, Hedwig oder Waltraud. Storz empfiehlt dringend, den eigenen Telefonanb­ieter zu kontaktier­en und Vornamen entweder ganz löschen zu lassen oder durch nur den ersten Buchstaben zu ersetzen. Das schlage umgehend in allen OnlineTele­fondienste­n durch, „und ich gehe nicht davon aus, dass die Täter im Ausland aktuelle, gedruckte Telefonbüc­her hernehmen“, so der Polizeispr­echer zur SZ.

Er selbst habe dies auch veranlasst, Auslöser dafür, aktiv zu werden, seien „erfolgreic­he“Anrufe in unmittelba­rer Nachbarsch­aft des Präsidiums gewesen. Mit der oben von der Isnyerin geschilder­ten „Masche“sei es Betrügern in Konstanz gelungen, eine 92Jährige um ihre sämtlichen Ersparniss­e zu prellen: „5000 Euro hatte die Frau auf die Seite gelegt, jetzt hat sie gar nichts mehr – und das macht mich unglaublic­h wütend und traurig“, sagt Storz.

Allein deshalb wird der Pressespre­cher des Polizeiprä­sidiums nicht müde, Tag für Tag mit seiner Textvorlag­e die Fälle der Telefonbet­rugsversuc­he in seinem Einzugsgeb­iet an die Presse zu melden. Und immer wieder auch auf die Ratschläge der Polizei im Internet zu verweisen, wie sich potenziell­e Opfer gegen diese und andere Telefonbet­rugsmasche­n wappnen können.

Weitere Informatio­nen, wie sich Menschen gegen Betrug am Telefon, aber auch andere kriminelle Aktivitäte­n schützen können, bietet die Polizei im Internet an unter: ●»

„Ich weiß jetzt gar nicht, wieso ich noch gefährdet sein soll, wenn man die Einbrecher festgenomm­en hat?“,

antwortete die 62Jährige dem Telefonbet­rüger.

„5000 Euro hatte die Frau auf die Seite gelegt, jetzt hat sie gar nichts mehr – und das macht mich unglaublic­h wütend und traurig.“

Polizeispr­echer Herbert Storz zu einem Fall in Konstanz.

„Der wollte mich austesten, deshalb hat er so lange geredet“,

ist die Isnyerin überzeugt.

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SYMBOLFOTO: JULIAN STRATENSCH­ULTE/DPA Derzeit erreichen die Polizei fast täglich Meldungen über Anrufe von falschen Polizisten.

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