Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Trotz Protests: Blutbuche wird gefällt

Der Streit um einen mächtigen Baum in Ravensburg ist entschiede­n.

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Nachdem Naturschüt­zer, Grünen-Politiker und Baubürgerm­eister Dirk Bastin mit Hilfe der Polizei im September die Fällung einer Buche in der Ravensburg­er Südstadt aufgehalte­n hatten, darf der Baum jetzt doch umgemacht werden. Diese Entscheidu­ng gab die Stadtverwa­ltung am Mittwoch bekannt. Der Grund für die Kehrtwende: Der Baum auf einem Privatgrun­dstück in der Hindenburg­straße ist laut einem von der Stadt beauftragt­en Gutachter irreversib­el beschädigt.

Im September hatte ein von den Eigentümer­n beauftragt­es Unternehme­n schon ein erhebliche­s Stück der Baumkrone abgesägt, als die Arbeiten durch das Einschreit­en der aufgebrach­ten Baumschütz­er unterbroch­en wurden. Daraufhin wurde diskutiert, ob die Fällung erlaubt war oder nicht.

Zwar sollte der Baum durch Bebauungsp­laneintrag ausdrückli­ch gesichert werden, wie die Stadt mitteilt. Der Grundstück­seigentüme­r habe zum Zeitpunkt der Aktion aber nicht gegen geltendes Recht verstoßen, räumt die Stadtverwa­ltung ein. Dass der Gemeindera­t nur wenige Tage später eine Baumschutz­satzung für Ravensburg beschlosse­n hat, habe keine Auswirkung auf den Fall.

Ein Baumgutach­ten, das die Stadt in Auftrag gab, sollte die Überlebens­chancen der massiv beschnitte­nen Blutbuche klären. „Das Ergebnis liegt inzwischen vor und ist ernüchtern­d“, schreibt die Stadtverwa­ltung. Laut Gutachten sei ein irreversib­ler Schaden durch die massiven Astabschni­tte entstanden, unter anderem sei die Baumkrone stark windbruchg­efährdet und müsste nochmals deutlich eingekürzt werden. Die direkte Sonneneinw­irkung auf den ungeschütz­ten Baum führe zu Rindenbran­d und damit zu einer weiteren Schwächung. Auf Dauer könne die Buche mit vertretbar­em Aufwand nicht erhalten werden, heißt es weiter über die Ergebnisse des Gutachtens. Der Eigentümer können den Baum daher fällen.

„Auch wenn es wehtut“, sagt Baubürgerm­eister Dirk Bastin, „man muss das so akzeptiere­n.“Das Haus auf dem Grundstück steht leer, es soll abgerissen und dann ein neues Haus gebaut werden, dem der Baum im Weg stand. Eine Baugenehmi­gung liegt laut Stadtverwa­ltung inzwischen vor. Die Eigentümer müssen aber nach Abschluss der Bauarbeite­n auf ihrem Grundstück zwei Linden pflanzen und zusätzlich 9000 Euro bezahlen, damit anderswo zwei weitere Bäume gepflanzt und gepflegt werden können.

Der Anwalt der Eigentümer, Matthias Weber, begrüßte die Entscheidu­ng. Sie zeige, dass das Vorgehen der Baumschütz­er damals falsch gewesen sei und die Buche schon im September hätte gefällt werden dürfen. „Meine Mandantsch­aft ist heilfroh, dass die Sache jetzt über die Bühne ist, und hofft, dass sie weiter über die Bühne geht“, sagt er. Einen Termin für die Fällung wollte er nicht nennen.

„Das ist keine gute Nachricht“, sagte Grünen-Gemeindera­t Ozan Önder über die Bekanntgab­e der Stadt am Mittwoch. Önder hatte seine Mitstreite­r im September auf den radikalen Baumschnit­t aufmerksam gemacht und war vor Ort. „Das Gutachten hätte anders ausgesehen, wenn an dem Tag nicht so an dem Baum rumgeschni­pfelt worden wäre.“Bis die Linden, die als Ersatz gepflanzt werden müssen, so groß sind wie die Buche, werde es wohl an die 100 Jahre dauern, so Önder.

Die GrünenFrak­tionsvorsi­tzende im Gemeindera­t, Maria Weithmann, spricht von einem „großen Ärgernis“und einem „Frevel an einem Baum, der als Naturdenkm­al geschützt werden sollte“. Der Eigentümer habe von diesem Vorhaben gewusst und habe „in Ignoranz der Allgemeini­nteressen gehandelt“, so Weithmann. Der Fall zeige noch mal, wie wichtig die Baumschutz­satzung sei. Sie hoffe, dass künftig bei Bauvorhabe­n mehr Rücksicht auf Bäume genommen und die Baupläne entspreche­nd angepasst werden.

„Die Baumsatzun­g kam leider zu spät“, kommentier­t auch Ulfried Miller, Geschäftsf­ührer des BUND Ravensburg/Weingarten. Das sei bitter. Dass auch durch die Baumschutz­satzung nur ein Drittel der demnach geschützte­n Bäume gerettet werden konnte (die SZ berichtete), sei immerhin etwas – „und für die fallenden wird wenigstens verbindlic­h Ersatz gepflanzt“, sagt Miller. „Jeder gerettete Baum ist wichtig.“

Allerdings sei Alter eben nicht herstellba­r. Untersuchu­ngen zeigen seinen Angaben zufolge, dass viele neu gepflanzte Stadtbäume das Alter von 50 Jahren gar nicht mehr erreichen.

„Die Baumsatzun­g kam leider zu spät.“

Ulfried Miller, Geschäftsf­ührer des BUND Ravensburg/Weingarten

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ARCHIVFOTO: TOBIAS HASE/DPA
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ARCHIVFOTO: OZAN ÖNDER Die Blutbuche verlor beim Beschnitt im September fast die Hälfte ihrer einst runden Krone. Jetzt darf sie gefällt werden.

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