Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)
Leinen los für den Grafen
Ralph Siegel sucht in Friedrichshafen Inspiration für sein neues Musical „Zeppelin“
FRIEDRICHSHAFEN - Sein größter Traum, sagt Ralph Siegel, das sei immer der Broadway gewesen. „Ich war mit meinem Vater 1964 dort, Barbra Streisand sang ‚Funny Girl‘ und Carol Channing ‚Hello Dolly‘. Da will ich auch hin, hab ich zu meinem Vater gesagt“, erzählt der Mann, den die meisten Menschen durch seine Erfolge beim Eurovision Song Contest (früher Grand Prix) kennen dürften. „Ich hab es jahrelang versucht und war immer knapp davor“, so Siegel. Doch an diesem Nachmittag im Zeppelin Museum in Friedrichshafen wirkt Siegel nicht wie jemand, der mit seiner musikalischen Karriere hadert. Mehr als 2000 Titel hat der Mann, der im September 75 wird, veröffentlicht. Knapp zwei Monate nach seinem Geburtstag kommt Siegels neues Musical auf die Bühne: „Zeppelin – das Musical“(Buch: Hans Dieter Schreeb) wird ab 26. November 2020 im Festspielhaus in Füssen zu sehen sein. Im Mittelpunkt stehen der Luftfahrtpionier Graf Zeppelin (1838-1917) und der letzte Flug der Hindenburg im Jahr 1937. Ein Besuch im Zeppelin Museum in der Stadt, in der Ferdinand von Zeppelin Luftfahrtgeschichte schrieb und die wesentlich von ihm geprägt ist, war nun quasi obligatorisch.
Der Rundgang durch die Sammlung, bei dem auch seine Frau Laura dabei ist, beeindruckt Siegel: „Die Hindenburg war 244 Meter lang und 40 Meter hoch – das sind zwei Fußballstadien nebeneinander. Das ist einfach unfassbar.“Heute sei Fliegen selbstverständlich, aber damals sei es eine komplett andere Zeit gewesen. Die bewegte Lebensgeschichte von Graf Zeppelin wird parallel zum letzten Flug der Hindenburg mitsamt dem Ende in der Katastrophe erzählt. „Das Zeppelin Museum stellt dafür Archivmaterial zur Verfügung“, sagt Simone Lipski, die für Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist, über die Kooperation des Museums mit Siegel und seinem Team. Man sei gespannt, welche Anekdoten und kuriosen Geschichten im Musical verarbeitet würden.
Wenn man in Friedrichshafen aufgewachsen ist, kommt man am Thema Zeppelin nicht vorbei – vom Graf-Zeppelin-Gymnasium bis hin zum Zeppelin NT, der 1997 seinen Jungfernflug absolvierte, ist die Luftfahrt in der Stadt am See allgegenwärtig. Aber wie kam Siegel auf das
Thema? „Ich hab über 2000 Titel veröffentlicht, ich hab über alles geschrieben, über Moskau, Rom, Paris“, sinniert Siegel, der sich in Plauderlaune zeigt und trotz seiner Erfolge extrem bodenständig wirkt. Seine Musicals hätten sich mit Winnetou, Clowns und dem Lachen beschäftigt. „Als Profi gehst du alle Themen durch und schaust irgendwann eher, was ist denn noch da – es ist ja fast alles schon gemacht worden.“
Auch Graf Zeppelin war schon Musical-Stoff. Der Meckenbeurer Komponist Martin Weber, der 2016 mit nur 45 Jahren einem Krebsleiden erlag, zeichnete zwischen 2000 und 2002 für mehrere Zeppelin-Musicals verantwortlich. Zu sehen und zu hören waren sie im Graf-ZeppelinHaus. Im Jahr 2000 hatte Weber mit der „Schwäbischen Zeitung“über den Traum von einer festen Spielstätte gesprochen. „Das ist Zukunftsmusik“, so Weber damals, aber wenn die Nachfrage da sei – es müsse ja nicht so bombastisch sein wie in Füssen.
Dort wird nun bald ein Zeppelin über den Köpfen der Zuschauer schweben. So viel verraten Benjamin Sahler, künstlerischer Leiter des Festspielhauses, und Manfred Hertlein, Co-Produzent des Musicals, vorab schon einmal. Das Festspielhaus könnte einen Publikumsmagneten gut brauchen. In den vergangenen Jahren hatte die Spielstätte, die mit Blick auf Schloss Neuschwanstein am Ufer des Forggensees liegt, dreimal Insolvenz anmelden müssen. Kurz vor dem Aus 2016 war Manfred Rietzler als Investor eingesprungen. Seine Motivation: „Heimatverbundenheit“, wie der Allgäuer, der in Bangkok lebt, sagt. Er trägt die Verluste privat. „Dieses Jahr peilen wir eine schwarze Null an“, sagt Geschäftsführerin Birgit Karle am Donnerstag in Friedrichshafen. Mit „Zeppelin – das Musical“bringe man das vierte eigene Musical auf die Bühne, so Sahler. „Mit dem Ticketverkauf sind wir total zufrieden“, berichtet Hertlein. Und Siegel sagt über Füssen: „Privattheater haben es schwer, das muss man schon als solches unterstützen.“Das Geld sei für ihn zweitrangig. „Es geht um den Wunsch, der Welt etwas zu hinterlassen. Bei Beethoven erinnert man sich auch nicht an Opus 27, sondern an Fidelio.“
Musikalisch sieht Siegel, der in den 1970er- und 1980er-Jahren mit Schlagergrößen wie Rex Gildo, Peter Alexander, Iren Sheer, Katja Ebstein und vielen anderen gearbeitet hat, das Musical als Spagat: „Es hat mir musikalisch eine irrsinnige Freude gemacht, weil da zwei Welten zusammenkommen. Ich musste einen Mittelweg finden zwischen dem akustischen Bewusstsein von heute und der Musik von damals.“Einflüsse aus der Klassik werden ebenso zu hören sein wie Klänge, die an die von Siegel produzierte Band Dschingis Khan („Moskau“) erinnern. Und bei einer Szene, in der der junge Ferdinand von Zeppelin Zeuge einer Schlacht im Sezessionskrieg wird, geht es ganz puristisch zu: „Da habe ich darauf geachtet, dass nur Akustikgitarre und Banjo zu hören sind.“
Zum Ensemble gehören neben Anna Maria Kaufmann und Thomas Borchert auch Friedrich Rau und Elisabeth Sikora – bekannte Namen in der Musicalszene. „Nachdem sie die Musik gehört haben, waren sie begeistert“, sagt Siegel. „Das ist ein gutes Zeichen.“
Die Welturaufführung von „Zeppelin – das Musical“ist am 26. November 2020 im Festspielhaus Füssen. Bis 10. Januar 2021 sind insgesamt 35 Spieltermine angesetzt. Der Kartenverkauf läuft. Mehr Infos unter
„Es geht um den Wunsch, der Welt etwas zu hinterlassen.“
Ralph Siegel über sein Zeppelin-Musical