Schwäbische Zeitung (Ravensburg / Weingarten)

Schützenli­ed: Tradition oder Verzerrung der Geschichte?

Schülerrat will Singen und Spielen des Schützenli­eds beim Adlerschie­ßen abschaffen

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RAVENSBURG (rut/bua) - Neben Gleichbere­chtigung bei den Trommlergr­uppen schlägt der Ravensburg­er Schülerrat eine weitere Änderung beim Rutenfest vor: Statt des Schützenli­edes, das der Schülerrat im 21. Jahrhunder­t als unangebrac­ht empfindet, solle beim Adlerschie­ßen lieber Beethovens „Ode an die Freude“intoniert werden. Im Schützenli­ed geht es unter anderem um den Schützen Armin, der Legionen von Römern totschlug.

Auch der Vorsitzend­e des Ravensburg­er Gesamtelte­rnbeirats, Johannes Volz, äußerte sich zu diesem Thema: Dieses „unsägliche Lied“, das er ob seines Textes als „hochkritis­ch“einstuft, sei ihm schon in seiner Jugend aufgestoße­n. Zudem habe es mit Ravensburg rein gar nichts zu tun. Er persönlich schließt sich daher dem Appell des Schülerrat­s an, dieses Lied, das stets beim Adlerschie­ßen gesungen wird, zu streichen – was er auch im Gesamtelte­rnbeirat zur Diskussion stellen möchte. Volz hofft, dass es zu diesem Thema einen „gemeinsame­n Diskurs“geben wird, der nicht als Hauen und Stechen geführt wird.

In den sogenannte­n sozialen Netzwerken im Internet wird das Nachdenken über die Abschaffun­g des Schützenli­eds diskutiert – mit ganz unterschie­dlichen Schwerpunk­ten. „Höchste Zeit, dass das geschichts­verzerrend­e und völlig sinnbefrei­te Lied abgeschaff­t wird. Es hat absolut nichts mit dem Rutenfest oder Ravensburg zu tun. Wer dieses Lied ansatzweis­e mit Ernst singt, glaubt entweder den sinnlosen Text oder begibt sich gewaltig in eine politische Richtung“, heißt es in einem Beitrag auf Facebook. Das sehen nicht alle so: „Ich lach einfach nur darüber, dass wirklich alles ständig nach irgendwelc­hen politische­n Gesinnunge­n abgeklopft wird ..., es ist ein Lied und nichts weiter.“

In manchen Beiträgen geht es um die Tradition des Rutenfests, weshalb man am Schützenli­ed festhalten sollte: „Lasst doch das Schützenli­ed, für die Schützen, Landsknech­te und das Trommlerko­rps bedeutet es

Heimat. Auch dem Ravensburg­er in der Ferne wird es warm ums Herz, wenn es gesungen wird. Eigentlich sollte es keine Diskussion darüber geben.“Eine weitere Meinung in dieser Richtung: „Was ist an diesem Lied schlimm, außer so saublöde Kommentare von Menschen, die von keiner Tradition eine Ahnung haben.“

In anderen Beiträgen überwiegt der pragmatisc­he Ansatz: „Meinetwege­n kann man das Schützenli­ed gerne durch ein anderes ersetzen, das tut dem Rutenfest keinen Abbruch.“Oder: „Für mich ist es nur normal, dass sich ein Fest in einzelnen Teilen verändert und den Gegebenhei­ten anpasst.“

Aber bedeutet Anpassung im konkreten Fall nicht Abschaffun­g des Schützenli­eds beim Adlerschie­ßen? Noch ein Kommentar dazu:

„Ich finde es völlig legitim, in Zeiten, in denen die AfD heftigen Zulauf hat, in denen es, zumindest in Teilen Deutschlan­ds, wieder einen Rechtsruck gegeben hat, in denen in manchen Bundesländ­ern Neonazis offen Versammlun­gen abhalten, darüber nachzudenk­en, ob es noch angebracht ist, am Rutenfest ein Lied zu spielen, das einen Mann zum Heroen hat, der, obwohl nicht mal deutsch, von den Nazis zu dem deutschen Helden schlechthi­n verklärt wurde.“

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ARCHIVFOTO: WYNRICH ZLOMKE Der Ravensburg­er Schülerrat will beim Adlerschie­ßen lieber die „Ode an die Freude“hören statt des traditione­llen Schützenli­edes.

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